ACHTUNG! Längerer Text
Ja die endlose Ultra-Diskussion...
Hier mal eine These von mir, die versucht, die aktuelle Entwicklung ein bißchen tiefer zu analysieren.
Wir leben in einer Welt, in der wir alle Ja-Sager geworden sind. Die Politik, die Wirtschaft und die Medien schreiben uns vor wie wir uns verhalten sollen. Man wird in ein System gezwängt, in dem man funktionieren und sich unterordnen muss. Wer das nicht macht hat es schwer sein Leben auf die Kette zu kriegen. Der Druck, der auf jedem einzelnen lastet ist enorm groß geworden. Die gehäuften Fälle von Burn-Out-Erkrankungen, Suizidversuchen und Depressionen sprechen für sich. Für viele Menschen ist ein Stadionbesuch viel mehr als nur Fußball. Es ist eine Flucht aus dem Alltag, eine Flucht aus sich ständig wiederholenden Vorschriften und Verpflichtungen. Ein Protest gegen das geregelte Leben. Man kann aufs Übelste fluchen, Worte sagen, die man im Alltag besser runterschluckt und wenn man möchte schon Mittags Bier trinken. Ein Stück Anarchie in einer bürokratisch geregelten, durch zensur geprägten und meist spießigen Welt. Es ist ein Stück Freiheit sich geschlossen mit anderen für eine Sache einzusetzen. Ein Stück Identifikation in einer unpersönlichen Welt. Im Stadion bekommen die Leute Aufmerksamkeit, die im normalen Leben keiner wahrnimmt. Das verbindet, woraus immer größere Gruppierungen entstehen, die gegen Regeln jeglicher Art rebellieren. Die einen mit Gewalt, die anderen mit Pyro, wieder andere mit Blockfahnen und Transpareten. Letztendlich ist es für alle eine Flucht für ein paar Stunden aus den Regeln des Alltags.
Unterm Strich spiegelt der Fußball nur unsere Gesellschaft wieder. Die einen ketten sich auf Gleisen fest, die anderen zünden Asylantenhäuser an, wieder andere lassen sich einen Irokesen wachsen und Ultras zündeln in Fußballstadien. Was alle gemeinsam haben, ist die Flucht aus dem Alltag und die Suche nach Identifikation.
Ultras sind keine halbstarken, die nur auf Randale aus sind. Ultras sind Menschen, die gehört und wahrgenommen werden wollen. Leute, die etwas verändern möchten.
Ich prognostiziere daher, dass mehr Verbote jeglicher Art, eine voranschreitende Kommerzialisierung des Fußball und eine erhöhte Polizeipräzenz die Problematik noch verschärft.
Der Weg kann nur Kommunikation heißen. Gewalt und Vandalismus durch Ultras werden nicht mit Helm, Gummiknüppel und Tränengas zu besiegen sein, sondern kann nur im Dialog mit allen Beteiligten im Vorfeld vermieden werden.
Und wenn ich ehrlich bin, sind mit ein paar Bengalos und eine schöne Choreografie im Stadion lieber, als eine Horde Glatzköppe, die mit Springerstiefeln und Hitlergruß durch die Straßen laufen.
PS: Nein, ich bin kein Ultra, lediglich jemand der Fußball liebt und sich für die Fankultur interessiert.