Grundeinkommen

  • „Ein Einkommen ist wie Luft unter den Flügeln!“


    Da ich diese Doku gerade in einem anderen Thread erwähnt habe und hier ja doch einige Leute mitlesen, die nicht nur an den neusten Hollywood-Kamellen interessiert sind (Gott sei Dank), mache ich mal einen eigenen Thread auf.


    Was wäre, wenn ein Grundeinkommen für jeden ein wirtschaftliches Bürgerrecht ist? Ohne Bedingungen. Ohne Anträge. Ohne der Verpflichtung, weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ein Grundeinkommen, um sich und seine Familie zu ernähren, um seine Bleibe zu finanzieren und um angemessen am kulturellen Leben teilhaben zu können. Was würde das bedeuten? Könnte so ein Modell funktionieren? Wie würde es funktionieren? Wie wäre es finanzierbar?


    Diesen Fragen geht die Dokumentation Grundeinkommen nach.


    Auf der Website kann man sich den Film gleich online anschauen oder aber verschiedene Versionen (inkl. DVD-Files in guter Qualität) downloaden.



    Ich hatte es ebenfalls im anderen Thread erwähnt: eine Bekannte von mir hat davon offiziell in ihrem BWL-Studium über ihren Prof., welcher laut ihr ein Befürworter dieser Theorie ist, gehört. Mich würde mal interessieren, was unsere VWL-Studenten dazu meinen.

  • Bin zwar kein VWLer, aber ich denke hier passt folgendes Thema ganz gut dazu:


    Solidarisches Bürgergeld


    Initiativgeber dieser Sache ist Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus. Meines Erachtens weitaus sinnvoller als unser von Bürokratie zerfressenes Sozialsystem und weitaus sinnvoller als die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns.


    Damit könnte man den Thread schon fast in den Smalltalk ablegen, denn ich denke, dass das Thema auch abseits des Filmes sehr interessant ist.

  • Kenne den Film, habe ihn aber noch nie geschaut. Allerdings habe mich schon häufiger mit diesem Thema auseinandergesetzt. Wollte auch schon des Öfteren eine entsprechende Diskussion hier starten, habe es dann aber doch sein lassen. Das krasse ist (im Prinzip ist es positiv, aber ich will es fast selbst nicht wahr haben), dass ich an diesem Modell absolut keinen Nachteil sehe. Werde mir den Film demnächst mal anschauen und dann können wir mal drüber reden. Allerdings sollte jeder den Film gesehen haben, denn ich kann die Stimmen nicht mehr hören, die behaupten, dass keiner mehr arbeiten würde, dass man das nicht finanzieren lkann etc... VWL muss man da nicht mal studieren um das zu verstehen ;)

  • Hmpf... jetzt ist kurz vom Abschicken irgendwas schief gegangen und ich muss alles noch schreiben....


    Kollege B: Sehe ich auch so, dass man für eine Diskussion den Film kennen sollte. Sonste können viele Fragen kommen auf die man immer wieder schreiben müsste "Film anschauen".


    Was aber interessant wäre: im Film werden die Ergebnisse einer kurzen Umfrage gezeigt. Spontan sollten die Leute anworten "Würden sie bei einem Grundeinkommen weiter arbeiten?" und "Was glauben sie, würden andere weiter arbeiten?".
    Kann sich ja mal jeder überlegen und hier posten, bevor er den Film ansieht. In meinem Bekanntenkreis kam das gleiche Ergebnis wie im Film raus. :)


    Skuz & Yamchu: da müsste ich ein wenig wiedersprechen. Milton Friedmann wird erwähnt, aber das Modell im Film ist ein anderes. Im Film ist die Steuer nicht unmittelbar an die Höhe des Einkommes gekoppelt. Ich habe gerade nochmal nachgelesen, da ich solche Dinge auch nicht auswendig weiß. Bei Wikipedia gibt es einen Artikel und ein einfaches Beispiel zur negativen Einkommenssteuer: Steuer = (0,33 * Einkommen) - 5000. Das ist nicht die Idee des Modells im Film und ich greife jetzt mal nicht vor. :)



    edit:
    Noch etwas vergessen.... Kollege B: mit VWL meinte ich weniger, ob das aus Sicht und mit dem Wissen eines VWL-Studenten funktioniert, sondern eher ob solche Modelle mittlerweile gelehrt oder zumindest angesprochen werden. Ich hatte mal zwei Semester Mikro und Makro und da wurde es nicht erwähnt.

  • Zitat

    Original von gaehnchen


    Was aber interessant wäre: im Film werden die Ergebnisse einer kurzen Umfrage gezeigt. Spontan sollten die Leute anworten "Würden sie bei einem Grundeinkommen weiter arbeiten?" und "Was glauben sie, würden andere weiter arbeiten?".
    Kann sich ja mal jeder überlegen und hier posten, bevor er den Film ansieht. In meinem Bekanntenkreis kam das gleiche Ergebnis wie im Film raus. :)


    edit:
    Noch etwas vergessen.... Kollege B: mit VWL meinte ich weniger, ob das aus Sicht und mit dem Wissen eines VWL-Studenten funktioniert, sondern eher ob solche Modelle mittlerweile gelehrt oder zumindest angesprochen werden. Ich hatte mal zwei Semester Mikro und Makro und da wurde es nicht erwähnt.



    Nun habe ich mir auch die Zeit genommen, um diese etwas zu lang geratene Doku zu schauen. Man hätte das Ganze auch auf die Hälfte der Zeit unterbringen können. Grausam find ich den Sprecher. Mir kam das den Film über so vor wie nen Wettkampf Er gegen Mich. Wer schläft schneller ein...
    An sich ein sehenswerter Film, allerdings nicht zum unreflektierten Fressen geeignet und schon gar nicht für Ultralinke...
    Soviel zum Film an sich.


    Nun hab ich dann noch einige Anmerkungen zum Film:
    ~auf den ersten Blick überzeugendes Konzept, keine Frage
    ~Aber wie schauts mit der monetären Höhe des Grundeinkommens aus? Was ist gerade notwendig, damit ein Mensch "angemessen auf einem kulturellen Level leben kann"? Die Schülerin, die sie kurz darauf gezeigt haben, träumte dann von Reisen durch die Welt mit diesem Grundeinkommen. Hier muss ich mein Veto einlegen. Das Grundeinkommen darf meiner Meinung nach nicht so hoch sein, dass man davon ein unbeschwertes Leben führen kann. Knapp oberhalb vom Existenzminimum ist ok, alles andere schafft falsche Anreize. (Auf Anpassungen im Laufe der Zeit möchte ich hier mal nicht eingehen.) Und wieder kommen wir in die Problematik der Folgedefinitionen.
    ~Die hier bereits erwähnte Umfrage stößt mir sauer auf: Na klar wird die große Mehrheit sagen, dass sie weiter arbeiten gehen würde. Aber das Ergebnis ist ganz klar durch den Störterm "Soziale Erwünschtheit" verzerrt, wofür auch die anschließende Frage nach den Mitmenschen spricht. Manche mögen das auf ein negatives Menschenbild zurückführen, aber die 60+30=90% im Fragenteil 1 sind viel zu hoch gegriffen. Wenn sie insgesamt auf 60% mögen sie gut sein. Falls noch wer Erläuterungen in Sachen "Sozialer Erwünschheit" braucht, so möge er fragen.
    ~Damit dieses System auf Dauer Bestand hat, müsste man die Aktienmärkte anders organisieren. Solange Profitstreben hier als oberstes Maxime angesiedelt ist, wird ein Grundeinkommen nicht funktionieren.
    Wie bereits von einer Person am Anfang des Films angesprochen wurde, müsste sich das Verständnis von Wirtschaft radikal ändern. Ich bezweifel, dass es das wird. Dafür profitieren einfach viel zu viele Leute davon...
    ~Auch wenn es nicht auf die gesamte Menschheit zutreffen mag: Hat schon mal einer von euch durchdacht, wie sich ein Homo Oeconomicus in solch einem System verhalten würde? Was wäre, wenn alle Homini Oeconomici wären? Stichwort: Trittbrettfahrerproblematik=>Gefangenendilemma
    ~Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob eine einzelne Region solch ein System einführen kann, ohne sich von anderen Ausbeuten zu lassen. Es würde in einer Welt der nicht existenten Handelsbarrieren zweifelsohne funktionieren. Aber was ist mit einer Welt in der es Handelsbarrieren gibt? Im Prinzip müsste dann z.B. alle EU Mitgliedsstaaten ihr System gleichzeitig umstellen, sonst würde man in Protektionismus zurückfallen.
    ~Es wird immer so schön dargestellt, dass sich das locker rechnen würde. Ich würde gern mal eine Beispielrechnung sehen. Also man nehme einen fiktiven Staat X, mit der Bevölkerung Y und Z sei die Anzahl der Personen, die mehr netto Steuer zahlen. Mich würde bei einem gegebenen Aufgabenkorb des Staates(in Kosten gerechnet) mal interessieren, wie hoch dann die Z sein muss, damit sich das System trägt, ohne Staatsverschuldung versteht sich.


    Das sind die speziellen Fragen, die sich mir aktuell aufdrängen. Die typischen Fragen, was passiert wenn viele Jobs wegrationalisert wurden, die Leute zwar arbeiten wollen, aber es keine Arbeit mehr für sie gibt, stellt sich auch in diesem System. Hier wären sie abgesichert, im aktuellen System nicht. Fragt sich halt, ob sie dann mit dieser Grundsicherung auch zufrieden sein wollen.


    Und nein, sowas wird nicht in den gängigen VWL Grundstudiumsveranstaltungen gelehrt. Es wäre da auch völlig fehl am Platz, weil diese ja Erklärungsmodelle und Messinstrumente für die aktuell herrschenden Bedingungen vermitteln sollen.
    Dieses System ist Theorie/Zukunftsmusik, also eher eine philosophische Frage. In den Hauptstudiumsveranstaltungen kann das anders sein. Kommt natürlich auf das Fach und den Lehrstuhlinhaber an, aber meine Kenntnis dieser Leute sagt eher: nein. Sowas kann vielleicht mal in einem Graduiertenkolleg besprochen werden oder Thema von Dissertationen/Habilitationen sein, aber ich würde es eher bei den anderen Sozialwissenschaftlern verorten, also bei Soziologen und vor allem Politologen, welche sich mit Politischer Theorie, insbesondere mit den Themenkomplex Staat, Gerechtigkeit und Politische Ökonomie befassen.



    EDIT: Wie verhält sich dieses Modell in Bezug auf die Herausforderung demographischer Wandel? Auch wenn ich jetzt vielleicht beschränkt sein mag, aber wie wirkt sich dieser Umstand auf Z aus? Selbiges gilt für die explodiernden Kosten im Krankensytem...


    EDIT2: Wenn, wie im Film behauptet, irgendwann gibt es nur noch dort Arbeit, wo technischer Fortschritt und Rationalisierung noch nicht zugeschlagen haben, dann wird es doch für die Menschen auch schwieriger eine Arbeit zu finden oder etwa nicht? Nach der simplen Logik von Angebot und Nachfrage und der Annahme, dass das Bildungssystem genau die Leute "produziert", welche benötigt werden, folgt doch daraus, dass die Löhne wieder sinken, d.h. die Arbeitenden weniger Erwerbseinkommen generieren und somit auch weniger über die kritische Grenze kommen und netto Steuern zahlen.
    Mit einer ähnlichen Logik wurde Friedmans "Negative Einkommensteuer" verworfen. Weil es bedingt durch Rationalisierung immer weniger Erwerbstätige geben wird(ALQ hoch), wird es auch immer weniger Leute geben, die dann die Einkommenssteuer zahlen. Wenn ich allerdings weniger Erwerbstätige habe, so habe ich auch weniger Leute, die mehr als das Grundeinkommen zur Verfügung haben und somit weniger Leute, die die benötigen Steuern erwirtschaften. Verstärkt wird dieser Effekt durch den demographischen Wandel in den westlichen Industriestaaten.


    Summa Summarum: Schöne These, aber undurchdacht und für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ebensowenig geeignet wie aktuelle Lösungen (abgesehen von der Altervorsorge durch Kapitaldeckung, sofern man sich von der Pfadabhängigkeit, d.h. vom Generationenvertrag, löst, die aktuelle Generation nicht doppelt belastet und die Rente für diese doch sehr lange Übergangszeit durch Steuermittel finanziert, die auf anderen Positionen einzusparen sind). Auch wenn es einige ungern hören: Es steht und fällt immer alles mit der Finanzierung.


    P.S.: Ich warte auf Widerspruch :boxing:, denn Monologe sind langweilig ;)

  • Sooo... jetzt aber. :) Freut mich, dass sich jemand die Zeit genommen hat darüber nachzudenken und das hier zu teilen.


    Zitat

    Original von Skuz
    Nun habe ich mir auch die Zeit genommen, um diese etwas zu lang geratene Doku zu schauen. Man hätte das Ganze auch auf die Hälfte der Zeit unterbringen können. Grausam find ich den Sprecher.


    Ja, ganz von der Hand weisen kann man das nicht. :) Mich hat es aber nicht gestört. Ich fand es sogar ganz gut, dass alles langsam und ruhig erzählt wird.



    Zitat

    Original von Skuz
    ~Aber wie schauts mit der monetären Höhe des Grundeinkommens aus? Was ist gerade notwendig, damit ein Mensch "angemessen auf einem kulturellen Level leben kann"? [...] Das Grundeinkommen darf meiner Meinung nach nicht so hoch sein, dass man davon ein unbeschwertes Leben führen kann. Knapp oberhalb vom Existenzminimum ist ok, alles andere schafft falsche Anreize.


    Das ist mit Sicherheit eine der schwierigen Fragen. Vor allem müsste sich derzeit die Höhe eines Grundeinkommens ja regional unterscheiden. Die Lebenshaltungskosten sind z.B. in Großstädten ganz andere als auf dem Land. Allerdings ist für mich der relevante Punkt, dass dieses Thema ansich (= "bestimmte Höhe ist notwendig") vom Konzept her bekannt ist und ein Ziel ist der Umsetzung wäre. Lösbar wäre es denke ich schon. Bereits jetzt gibt es ja von einigen Arbeitgebern Boni für die Arbeit in bestimmten teuren Großstäden. Oder aber Tarifverträge. Diese unterscheiden sich z.B. bei der IG-Metall auch jetzt bereits zwischen Bundesländern und sollen so einen Ausgleich schaffen.



    Zitat

    Original von Skuz
    ~Die hier bereits erwähnte Umfrage stößt mir sauer auf: Na klar wird die große Mehrheit sagen, dass sie weiter arbeiten gehen würde. Aber das Ergebnis ist ganz klar durch den Störterm "Soziale Erwünschtheit" verzerrt, wofür auch die anschließende Frage nach den Mitmenschen spricht. Manche mögen das auf ein negatives Menschenbild zurückführen, aber die 60+30=90% im Fragenteil 1 sind viel zu hoch gegriffen. Wenn sie insgesamt auf 60% mögen sie gut sein.


    Ich fand auch ein wenig Schade, dass die Randbedingungen der Umfragen nicht so mit Quellen belegt wurden, wie es für andere Statistiken im Film getan wurde. Das Phänomen der sozialen Erwünschtheit spielte bei einigen Befragten bestimmt auch mit. Allerdings habe ich bei mir im Arbeitsumfeld (!) und Bekanntenkreis die gleichen Resultate erhalten. Das ist natürlich nicht representativ...
    Ich denke (oder besser glaube), dass es immer einen Teil Menschen geben würde, die mit einem Grundeinkommen nicht mehr arbeiten wollen, denen das ausreichen würde. Aber ich denke auch, dass der Großteil der Leute einfach etwas tun wird. Vielleicht nicht mehr das gleiche wie jetzt, sondern eher etwas, was einem besser liegt, besser passt, mehr Freude bereitet.



    Zitat

    Original von Skuz
    ~Damit dieses System auf Dauer Bestand hat, müsste man die Aktienmärkte anders organisieren. Solange Profitstreben hier als oberstes Maxime angesiedelt ist, wird ein Grundeinkommen nicht funktionieren.
    Wie bereits von einer Person am Anfang des Films angesprochen wurde, müsste sich das Verständnis von Wirtschaft radikal ändern. Ich bezweifel, dass es das wird. Dafür profitieren einfach viel zu viele Leute davon...


    Demgegenüber kann man jedoch erwähnen, dass das heutige System auf Dauer keinen Bestand mehr haben wird und es eine neue Lösung geben muss. Kurz vor der Wende sah es mit dem (zwingend notwendigen) Wachstum im "Westen" (wenn ich mich recht erinnere) auch nicht so gut aus. Die neuen Märkte im Osten haben einen Aufschwung gebracht. Aber wohin soll es noch wachsen? Irgendwann wird Schluß sein. Und dann?
    Der Film beschreibt ja, dass ein radikales umdenken notwendig sein wird und sich vieles ändern würde/müsste. Das viele Leute da von alleine nicht mitmachen wollen kann man verstehen. Es ist eher ein Zwang, welcher sich entwickeln kann. Beim Thema Umwelt sieht man es derzeit ja sehr schön. :)



    Zitat

    Original von Skuz
    ~Auch wenn es nicht auf die gesamte Menschheit zutreffen mag: Hat schon mal einer von euch durchdacht, wie sich ein Homo Oeconomicus in solch einem System verhalten würde? Was wäre, wenn alle Homini Oeconomici wären? Stichwort: Trittbrettfahrerproblematik => Gefangenendilemma


    Ich würde zunächst einmal fragen: Sind denn wirklich alle Menschen ein "Homo Oeconomicus"? :) Menschen werden wohl nicht als Homo Oeconomicus geboren, sie passen sich dem System an. Wenn das System ein anderes ist, was dann? Im Film wird ganz klar die Frage gestellt, wie Arbeitnehmer motiviert werden können, wenn Geld nicht mehr das alleinige Ziehmittel ist.
    Aber zu Deiner Frage: wie stellst Du es Dir vor, was würde passieren? Ich tue mich mit der Beantwortung schwer, da ich mich selber nicht als Homo Oeconomicus bezeichnen würde.



    Zitat

    Original von Skuz
    ~Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob eine einzelne Region solch ein System einführen kann, ohne sich von anderen Ausbeuten zu lassen. Es würde in einer Welt der nicht existenten Handelsbarrieren zweifelsohne funktionieren. Aber was ist mit einer Welt in der es Handelsbarrieren gibt? Im Prinzip müsste dann z.B. alle EU Mitgliedsstaaten ihr System gleichzeitig umstellen, sonst würde man in Protektionismus zurückfallen


    An welche Handelsbarrieren denkst Du da? Was wären die Probleme?



    Zitat

    Original von Skuz
    ~Es wird immer so schön dargestellt, dass sich das locker rechnen würde. Ich würde gern mal eine Beispielrechnung sehen. Also man nehme einen fiktiven Staat X, mit der Bevölkerung Y und Z sei die Anzahl der Personen, die mehr netto Steuer zahlen. Mich würde bei einem gegebenen Aufgabenkorb des Staates(in Kosten gerechnet) mal interessieren, wie hoch dann die Z sein muss, damit sich das System trägt, ohne Staatsverschuldung versteht sich.


    Ich werde mich bei meiner Bekannten mal erkundigen, vielleicht hat sie dazu noch die Unterlagen.



    Zitat

    Original von Skuz
    Die typischen Fragen, was passiert wenn viele Jobs wegrationalisert wurden, die Leute zwar arbeiten wollen, aber es keine Arbeit mehr für sie gibt, stellt sich auch in diesem System. Hier wären sie abgesichert, im aktuellen System nicht. Fragt sich halt, ob sie dann mit dieser Grundsicherung auch zufrieden sein wollen.


    Warum nicht? :) Besser eine Absicherung als keine, oder? :)
    Das kuriose wird ja dargestellt: die Weltlandwirtschaft schafft mehr als genug Nahrungsmittel für die gesamte Welt. Die Technologie ist so weit fortgeschritten, dass schwere oder gefährliche Arbeit eigentlich nicht mehr notwendig bzw. reduziert ist. Aufgrund der gegenwärtigen Spielregeln herrscht aber ein Problem in den Verhältnissen... von der Verhältnismäßigkeit ganz zu schweigen. Und ein Problem der Finanzierung.
    Mich hat der Film irgendwann ein wenig an Star Trek erinnert. :) Aber diese Vision finde ich nicht schlimm oder beängstigend.




    Zitat

    Original von Skuz
    Und nein, sowas wird nicht in den gängigen VWL Grundstudiumsveranstaltungen gelehrt. [...]


    Ja, habe ich mir dann auch gedacht... BWL Steuern oder eben Soziologie...



    Zitat

    Original von Skuz
    EDIT: Wie verhält sich dieses Modell in Bezug auf die Herausforderung demographischer Wandel? Auch wenn ich jetzt vielleicht beschränkt sein mag, aber wie wirkt sich dieser Umstand auf Z aus? Selbiges gilt für die explodiernden Kosten im Krankensytem...


    Ähm, was ist "Z"? :shy:
    Auf den demographischen Wandel sollte es jedoch weitaus robuster reagieren als derzeit. Jetzt erhält der Staat einen Teil seines Einkommens aus der Besteuerung von Arbeit (Einkommenssteuer). Und diese wird aufgrund des demographischen Wandels und aufgrund von Technlogie weniger. Im Film sollen die Einkünfte über den Konsum (Mehrwertsteuer) erfolgen. Insofern sehe ich da keinen Wiederspruch.




    Zitat

    Original von Skuz
    EDIT2: Wenn, wie im Film behauptet, irgendwann gibt es nur noch dort Arbeit, wo technischer Fortschritt und Rationalisierung noch nicht zugeschlagen haben, dann wird es doch für die Menschen auch schwieriger eine Arbeit zu finden oder etwa nicht? [...]


    Nein, weil es auch andere "Arbeit" gibt. Gemeinnützige Arbeit... das war zwischendurch die Grafik geleistete Arbeitsstunden in Erwerbsarbeit vs. (ich glaube hieß) gemeinnützige Arbeit.



    Zitat

    Original von Skuz
    [...] Mit einer ähnlichen Logik wurde Friedmans "Negative Einkommensteuer" verworfen. Weil es bedingt durch Rationalisierung immer weniger Erwerbstätige geben wird(ALQ hoch), wird es auch immer weniger Leute geben, die dann die Einkommenssteuer zahlen. Wenn ich allerdings weniger Erwerbstätige habe, so habe ich auch weniger Leute, die mehr als das Grundeinkommen zur Verfügung haben und somit weniger Leute, die die benötigen Steuern erwirtschaften. Verstärkt wird dieser Effekt durch den demographischen Wandel in den westlichen Industriestaaten.


    Siehe oben... es wird nicht die Arbeit besteuert, sondern der Konsum. Das ist der Unterschied zu Firedmann.



    Zitat

    Original von Skuz
    Summa Summarum: Schöne These, aber undurchdacht und für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ebensowenig geeignet wie aktuelle Lösungen [...] Auch wenn es einige ungern hören: Es steht und fällt immer alles mit der Finanzierung.


    Sorry, aber undurchdacht finde ich den Film bzw. das Modell nun wirklich nicht. Ganz im Gegenteil. Es wurden viele Leute aus ganz unterschiedlichen Bereichen/Branchen interviet, die sich alle mit dem Thema schon eine Weile beschäftigen. Es hat vielleicht Ecken und Kanten, aber undurchdacht ist es nicht.


    Finanzierung ist ein Thema. Da hat der Film jedoch einen anderen Standpunkt, welcher mir auch logisch erscheint. Unter dem Link von Clear Blue ist ebenfalls eine (wenn auch sehr grobe) Beispielrechnung zu finden. Und bei meiner Bekannten Frage ich nach...
    ...dazu vielleicht noch (alles Aussagen der Bekannten, kann ich so natürlich nicht nachprüfen): Der Prof, welcher mit seinen Studis das durchgenommen hat, war zunächst einige Zeit beim statistischen Bundesamt beschäftigt und hat dann einen Lehrauftrag an der FH Landshut angenommen. Eine Berufung (läuft das so ab?) zur Mitarbeit bei den "Wirtschaftsweisen" hatte er abgelehnt. Ich denke nicht, dass solche Personen in ihrem Lehrauftrag vollkommen undurchdachte Thesen durchgehen und durchrechnen.


    Was siehst Du als die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts? Für Deutschland? Für die Welt?


    Und was mich frage: warum nicht darüber nachdenken, wie man es PERSÖNLICH für SICH SELBST empfinden würde?
    Lassen wir das Thema Finanzierung mal beiseite und gehen davon aus, dass es finanzierbar wäre. Auch Vermutungen, wie andere Menschen reagieren würden, lassen wir mal Vermutungen sein. Was würde es für Dich (Éuch) bedeuten, wenn wir so ein System hätten? Grundeinkommen für jeden Schüler, für jeden Studenten hier. Grundeinkommen für jeden Arbeitnehmer. Was würdest Du (Ihr) dann tun? Wäre das schlimm? :)



    Puhhh.. :)

  • gaehnchen: das mit star trek war ein gutes stichwort, ging mir ähnlich als ich den film gesehen hatte :D


    ich denke (wenn das system denn finanzierbar wäre), dass es durchaus funktionieren könnte ... nur denke ich auch, dass es eine längere zeit des "umschwungs" bräuchte ... es müsste ein kompletter wandel der gesellschaft von statten gehen. man müsste die leute sozusagen "umerziehen", nicht mehr irgendwelchen menschlichen trieben wie macht oder reichtum nachzueifern :yes: sich selbst zu verbessern sollte im mittelpunkt stehen.
    sowas kann, denke ich, nur über bildung geschehen. und damit das system letztendlich funktioniert würde es wohl min. 1-2 generationen dauern(wenn nicht sogar länger)


    zitat aus star trek: "Unsere Wirtschaft funktioniert ein wenig anders. Es gibt kein Geld mehr. [...] Der Erwerb von Reichtum ist nicht mehr die treibende Kraft. Wir leben um uns selbst und andere zu verbessern..."

  • Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist auch unter uns Linken nicht unumstritten. Allerdings drehen sich die Debatten nicht um Punkte wie ob die Menschen dann noch arbeiten würden (Ziel ist es ja genau die Erwerbsarbeit als einzige WERTvolle - da bezahlte - Arbeit in Frage zu stellen) oder ob ein existenzsicherndes Grundeinkommen finanzierbar wäre und wie.


    Vielmehr geht es um die emanzipatorische Funktion des Grundeinkommens. Grundeinkommen ist nicht gleich Grundeinkommen. Ein Grundeinkommen kann theoretisch zu einer Verschlechterung der sozialen Situation Erwerbsloser führen, wenn sonstige Sozialleistungen gestrichen und im BGE aufgehen. Ein Grundeinkommen muss keine zwangsweise Umverteilungswirkung von den Vermögenden zu den Nicht-Vermögenden besitzen, wenn das Finanzierungsmodell so aussieht wie das des Görtz Werner, der die Finanzierung ausschließlich über Konsumsteuern möglich machen will. Ein BGE schützt nicht vor Dumpinglöhnen und erhöhtem Druck auf die im Erwerbsprozess Befindlichen.


    Aber ein BGE stellt die herrschende Vorstellung, nur Erwerbsarbeit sei für die Gesellschaft wertvoll und produktiv in Frage, und es ist eine Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft, nämlich dass Vollbeschäftigung heute eine Illusion ist und kein Konzept der Zukunft sein kann, was die Sozialdemokratie noch immer nicht begriffen hat.


    Die essentielle Frage ist, kann ein BGE Verbesserungen hinsichtlich des durch den kapitalistischen Verwertungsprozess ausgeübten Drucks für die Verlierer/innen des Systems bringen und die soziale Situation entschärfen? Kann es ein Anfang auf dem Weg zu einer postneoliberalen und auch postkapitalistischen Gesellschaftsordnung sein? Fest steht: Das BGE ist kein Wundermittel und kann auch nur ein Stein im Konzept der Kämpfe und Bemühungen für eine bessere, gerechtere Gesellschaft sein.


    Ich möchte euch abschließend noch dieses kurze Youtube-Video (5 min.) mit Werner Rätz von der Attac Grundeinkommen und AG Gutes Lebene für alle empfehlen. Der Mann war letztens in Graz und hat mich überzeugt!
    Klickerikick