Wie bereits erwähnt, hatte sich doch eine kleine Truppe dieses Jahr auf dem Camping-Village (CV) verirrt.
Es ist kurz nach vier am Donnerstagmorgen, als ich den Zündschlüssel meines Autos umdrehe und die ersten wohlklingenden Töne elektronischer Musik erklingen. Ich habe mich selber vorgeshuttlet, da die A7 im Bereich Schleswig-Holstein und Hamburg mir im Moment mal wieder ziemlich auf den Sender geht. Dies wollte ich vermeiden und bin daher zu meinen Eltern gefahren. Mein Navigationsgerät zeigt als Ankunftszeit doch tatsächlich 09:09 an. Witzig. Somit habe ich genügend Zeit für unser Treffen um 10:00. Ich habe mir angewöhnt, auf längeren Strecken genügend Pausen einzulegen. Es ist nicht nur dem Alter geschuldet, sondern auch einfach einer gewissen Gemütlichkeit. Schließlich habe ich Urlaub. Ich liebe den Sonnenaufgang, dazu einen frischen Cappuccino und der Start in den Tag ist für mich mehr als geglückt. Bei meinem ersten Stopp stelle ich fest, dass die Raststätten mehr und mehr zu einer Art mobilen Metropolen mutieren. Sämtliche Stätten stecken im Umbau und sind zur Ruhephase mit LKW überlaufen. Musikalisch habe ich auf Rainald Grebe’s “Hong-Kong-Konzert umgeschwungen und fahre mit einem leichten Lächeln der Nature One entgegen. “Silvester“ ist unheimlich schön. Leider muss ich feststellen, dass ich einen mp3-Stick vergessen habe, auf dem Koze’s neuer Mix für die DJ-Kicks-Serie, mehrere John Digweed Files und DJ T. Sets enthalten sind. Schließlich folgt ein erneuter Bruch und ich höre einen alten Nightflight Radio-Mitschnitt mit Paul van Dyk. Haaachhh ja, was waren das für schöne Zeiten. Paul hat einfach alles gespielt, gute Mischung, nur Knaller, kaum Gesang. Gat Decor “Passion“, DJ Tandu “Velvet“, Katcha “Touched by God“ (Katcha’s 4AM with Pecker Mix), sogar Werbung für Dixon. Mittlerweile rauschen auch die ersten N1-Kolonen an mir vorbei. Etwas verfrüht schlage ich in Kastellaun auf und entscheide mich für einen weiteren Cappuccino bei einem ortsansässigen Bäcker. Kurz zum Treffpunkt, alle da, einreihen zur Fahrt auf das CV. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass alle Besucher bereits schon am Donnerstag anreisen, was ein späterer Rundgang durch das CV bestätigen wird. Neben uns fährt ein Tross mit einem 15KW Notstromaggregat. Interessant. Wir erwischen ein gutes Feld mit Rasen, jedoch Nachbarn, die beide einen Anhänger voll mit Equipment dabei haben.
Ich unterhalte mich noch kurz mit dem Einweiser. Er erzählt mir, dass es aufgrund des Chaos letztes Jahr mehr Teams sind. Sie sind von vier auf neun aufgestockt worden. Beiläufig frage ich, ob es Auflagen gibt, dies verneinte er natürlich. Interessant finde ich auch die 25,-€ pro Person für das CV inkl. 5,-€ Müllpfand.
Na, das kann heiter werden. Egal, gemütlich aufbauen, das erste Bier anfassen und alles läuft wie von alleine. Bis, nun, bis unsere Nachbarn der Auffassung sind, ihre Anlage mit Bigroom-Geballer zu bespielen. Oh, oh, sollte es wirklich ein gefühlt doppelt so langes Festival werden? Was hören meine Ohren, war da nicht eben ein Radio-Jingle während des Tracks? Tja, dafür gibt es eigentlich nur zwei Erklärungen; Entweder ist es ein Set aus dem Radio und man “performt“ dazu wie ein DJ oder man hat einfach kein Geld und ript sich die Tracks von youtube. Egal, das ist es wirklich. Sollen sie machen. Warum soll ich mich darüber aufregen. Ich bin wahrscheinlich fast zwanzig Jahre älter als die Truppe, ist es das wert? Die Anlage ist schon fein und später werden sie tatsächlich auch noch andere Musik spielen. Es wird sich auch noch herausstellen, dass man dort auflegen darf, sie wirklich witzig und nett sind und, das ist mit Abstand das Beste, sie uns nicht 24/4 beschallen und tatsächlich auch nachts schlafen.
Warum gibt es eigentlich auf der N1 keinen ruhigeren Abschnitt, wie bei jedem anderen Festival auch?
Es kommt, wie es kommen muss, ein ordentlicher Regenguss. Das CV kühlt sich merklich ab, was sich in der Nacht auf 5°C beläuft. Was hören meine Ohren, da läuft doch tatsächlich der Koze Remix zu Moderat’s “Bad Kingdom“. Die Sonne taucht wieder auf und ein Bekannter und ich entscheiden uns für einen kleinen Rundgang. Unser Weg führt uns zu die “Army of Techno“ -Truppe. Interessant. Klingt gut. Später werde ich feststellen, dass sie alle relativ gleich spielen (Phobiq, Nachtstrom Schallplatten). Weiter vorbei an “Niederrhein Techno“; Auch nett zusammengestellt und gute Musik. Kurz beim Mixery-Opening vorbeigeschaut und dann doch langsam wieder zurück zum Zelt. Gemütlich geklönt und aufgrund der Maikühle dann doch ab in den Schlafsack. Gegen 08:30 weckte mich die Cantina Band im 10h-Mix. Mit einem Lächeln im Gesicht steht es sich doch gleich leichter auf.
Die Dixis sind wie immer. Auch hier werde ich später, um genau zu sein, eine Woche später, feststellen, dass man die Toiletten auch nachts reinigen kann.
Na ja, erst mal Kaffee. Es scheint ein schöner Tag zu werden. Die Wetterprognose zeigt eine steigende Temperaturkurve an, was für ein Festival natürlich immer gut ist. Auf dem Rückweg von einer Dixi-Tour treffen wir auf einen jungen Mann Anfang zwanzig. Er hält eine kleine Feldmaus in der Hand. Er wolle sie uns verkaufen, sie sei tatsächlich noch am Leben, er könne sich ihren Unterhalt nicht mehr leisten usw. usf.. Ihr Name sei Theresa. Wie viel muss man nehmen …? Ich werde wirklich langsam zu alt für solche Sachen. Mittlerweile trennen mich von der jetzigen Generation fast zwei Jahrzehnte. Ich merke es deutlich. Es liegt noch nicht mal daran, dass ich kein Verständnis für gewisse Sachen aufbringen kann, sondern einfach daran, dass ich keine Lust mehr auf gewisse Sachen habe und mich auch nicht mehr damit auseinandersetzen möchte, was mir keinen Spaß bringt. Es langweilt mich einfach nur, wenn man genau sagen kann:“Ohhh, schau, jetzt macht er/sie/es das, jetzt passiert das, … .“ Dieses Vorhersehbare. Es nervt. Gut, ich merke jetzt schon, dass ich auf dem Open-Air-Floor (OAF) definitiv keinen Spaß haben werde. Genauso frage ich mich, warum fast alle Mädchen/Frauen unter dreißig tätowiert sind. Wirklich fast alle. Zum Teil solche riesen Dinger, in der ihre ganze (kurze) Lebensgeschichte/-erfahrung bereits verewigt ist. Warum? Was veranlasst euch dazu? Muss man mittlerweile seine Identität durch ein Tattoo preisgeben? Egal. Bereitmachen für die Pydna.
Gegen neun machen wir uns auf den Weg. Der Eintritt verläuft problemlos. Erneut eine überteuerte Jacke (Zip-Hoodie) gekauft, dieses Mal jedoch in weiser Voraussicht, dass es evtl. für mich die letzte Nature One werden könnte; Quasi ein Erinnerungsstück. Kurz am OAF vorbei; Jämmerlich. Wirklich. So etwas habe ich noch nie gesehen. Nach dem Rundgang melde ich mich bei meinen Bekannten ab und wandere Richtung Century Circus (CC). Denn dort legt bereits Flug auf und den möchte ich nicht verpassen. Der Gesamteindruck des CC ist in Ordnung. Die Videowand und die Panels an der Decke erzeugen Video-Effekte, die mich irgendwie an die Visual-Effects von itunes erinnern. Flug spielt ein schönes Set zum Eingrooven. Ein Acid-Track sorgt schon mal für erste Jubelschreie unter der Partycrowd. Die ansteigende Acid-Line kann auch kein Auge trocken lassen. Nice.
Flug live at Nature One (Mixcloud)
Es folgt Rødhåd, lässig mit Kippe im Mundwinkel und einem sehr coolen Start. Leider spielt sich alles irgendwie im Hintergrund ab. Als wäre die Anlage nicht vollständig ausgefahren. Kaum Mitten und Höhen. Alles irgendwie dumpf. Was bei Rødhåd wirklich schade ist, denn er spielt wirklich gut und hat schöne Tracks am Start, die schöne Elemente enthalten. Bei ihm werden auch zum ersten Mal die Laser benutzt. Er spielt respektvoll und ruhig aus. Für mich das Set des Abends, da es alles enthält, was Techno für mich bedeutet. Schöne Tracks, Samples, leichte Rock ‘n‘ Roll Attitude beim Auflegen. Fein.
Rødhåd live at Nature One (Mixcloud)
Rødhåd on Facebook, schönes Foto
Doch nun zum ersten Headliner des Abends; Len Faki. Natürlich füllt sich der CC, die Handys, GoPros und was weiß ich nicht alles gehen nach oben. Zum Start gibt es natürlich einen Acid-Track. Mir sind die Strobo-Effekte nach einer Weile doch etwas zu stressig,
so dass ich mich kurz zu Nico Pusch begebe. Er ergreift das Mike und ich die Flucht. Seit wann werden eigentlich die Zelte angestrahlt? Bei meinem Rundgang sehe ich knapp bekleidete “Mädchen“, die sich an den am Zaun aufgestellten PAR-Strahlern wärmen. Tja, Erfahrungswert.
Kurz beim OAF vorbei, Axwell und Ingrosso greifen zum Mike, kurz Feuer gesehen, stelle fest, es wird auch schon gar nicht mehr gemixt. Weiter! Weg! Schnell!
Auf dem Classic Terminal spielt Dune. Kurzer Abriss:
“Zombie Nation“
“Met her at the Loveparade“
“Loops and Tings”
“Can’t stop Raving”
…
Warum kann man ein Classic-Set nicht mal etwas hübsch gestalten? Ich erwarte kein Sample-Gewitter à la Ilsa Gold aber, ich meine, er ist doch Producer. Kann man sich denn nicht mal ‘n bissl‘ was einfallen lassen, statt die Tracks einfach nur sinnlos aneinander zu reihen?
Zurück zum CC. Len ist in den letzten Zügen seines Sets. Lässiges Outro.
Len Faki auf Twitter, sehr schön und witzige Idee seine “Letzter Raver“ Bilder
Len Faki auf Facebook
Doch nun zum Mann, der ein Hauptgrund für meinen Besuch darstellt; Speedy J. Er fängt ziemlich cool an. Und hier wird es für mich ganz deutlich, entweder ist das die neue Bescheidenheit unter der Techno-Elite oder tatsächlich die Anlage. Was für mich einer Katastrophe gleichkommt, da es gerade bei Speedy J auf die Nuancen ankommt. Toll! Dazu gesellt sich noch ein optischer Makel in Form eines ausgefallenen Panels der Videowand. Toll!! Nun denn, ein klassisches Speedy J Techno-Set.
Chris Liebing übernimmt nicht das Set-up von Speedy J und geht sogleich in die Vollen.
Gegen 03:03 verlasse ich die Pydna. Der Rückweg wird mit einem unsäglichen Gequitsche von Danny Avila begleitet. Auch hier kommt wieder der Moment hoch:“Time to say Goodbye!“
Am nächsten Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus, sollte man meinen, wenn da nicht irgendwelche Sachen laufen würden wie “Mein Glied ist zu groß“ von den Kassierern in einer Dorf-Disco-Version, Voll-Assi-Toni mit Tupac, irgendwas mit “Dicke Titten Olé“ usw. usf.. Witzigerweise hat jemand in der Nacht vor die DJ-Kanzel hinge… . Ein klares Statement, würde ich mal behaupten. So. Ist. Der. Mensch.
Der Abend nähert sich und wir machen uns auf den Weg. Sam Paganini übernimmt und spielt ein schönes Techno-Set. Natürlich gibt es seine momentanen Hits “Rave“ und “Dusty“. Relativ zum Schluss spielt er einen wahnsinnigen Rave-Track. Leider finde ich ihn nicht. Er hat eine fette und satte Kick und kommt somit ziemlich wuchtig und voluminös daher. Dazu gesellt sich ein cooles Vocal-Sample “Turn off the Lights“. Und nein, es ist nicht Alan Fitzpatricks “Turn down the Lights”. Da brennt kurzzeitig die Luft im CC. Klasse Reaktionen. Wenn jemand eine Ahnung hat, was für ein Track das ist, bitte melden. Bitte!
Sam Paganini live at Nature One (Mixcloud)
Adam Beyer spielt klasssischen Drumcode-Style. Auch eher dezent im Hintergrund. Große Hooks, Strings und Samples scheinen wieder verpönt zu sein. Es kann aber auch an der Anlage liegen, die heute deutlich besser klingt. Relativ zum Schluss spielt er aus meiner Sicht den Track des CC/der Nature One. Eine Male-Stimme fragt immerzu etwas. Wenn jemand auch nur im Geringsten eine Ahnung auf meine doch eher minimale Beschreibung hat, darf er/sie sich gerne bei mir melden. Rødhåd hat den Track auch gespielt, mein ich.
Kurz noch Alan Fitzpatrick angeschaut und meinem Alter Tribut gezollt. Ich hatte die Woche zuvor noch ein Training, welches mir immer noch zu schaffen macht. Ab. Zurück zum Camping-Platz.
Der nächste Morgen lief absolut entspannt ab. Kaffee, Teilchen und Brötchen holen, die Sonne genießen, den Aufbruch anschauen, die Windhosen beobachten, über den Stau hinwegsehen, gemütlich grillen und gegen 14:00 langsam einpacken. Unterwegs feststellen, dass die Klimaanlage nicht funktioniert (Außentemperatur bei 32°C), was natürlich zu meiner in der vorherigen Woche gewechselten Lambdasonde super passt.
Fazit, In ‘n Out, Do ‘n Don‘t, …
Anscheinend ist es Pflicht, mit einer Tolle wie Robin Schulz rumzulaufen. Gut, mangels Masse falle ich da schon mal raus. Des Weiteren gehört die neonfarbene Sonnenbrille, das Muskelshirt und ein Snap-Bag-Cap zum guten Ton. Das Cap selbstverständlich mit Größensticker. Ich werde es nie begreifen. Der Schlachtruf von “Zombie Nation“ wurde durch Naughty by Natures “Hip Hop Hooray“ abgelöst. Turnbeutel sind das Must-Have. Der Selfie-Wahn treibt immer witzigere Stilblüten. Stichworte; Handystick, GoPro auf Stick, auf Kopf, auf Auto, usw.. Bei der GoPro-Geschichte frage ich mich, was für riesige Festplatten die Leute eigentlich zu Hause haben müssen. Terabyte an Terabyte. Evtl. Hymne die gesuchte ID. Set: Rødhåd
Ich möchte da kein Bohei draus machen, jedoch war es für mich erst mal die letzte Nature One. Der OAF ist Ballermann, die Organisation ist zwar besser geworden, jedoch habe ich einen direkten Vergleich zur SonneMondSterne ziehen können und da muss ich einfach sagen, dass die Nature One, trotz ihres langjährigen Bestehens und der damit eigentlich einhergehenden Erfahrung einfach hinterher hinkt. Das fängt mit dem CV an (Laut, Leise), geht über die Toiletten (gefühlt 2x am Tag reinigen ist einfach zu wenig), nur ein Duschzelt, kaum Security auf dem CV, Trinkwasser und hört beim Line-up auf. Gerade das CV und die 20,-€ + 5,-€ Müllpfand pro Person (SonneMondSterne lediglich pro Auto), da muss einfach mehr drin sein. Soundtechnisch ist es auch Jahr für Jahr einfach gruselig. Getreu Bo’s Motto “Wir brauchen Bass“. Sicherlich sind es vielleicht einfach nur Bequemlichkeiten, jedoch sollte man als Veranstalter die Camping-Gemeinde nicht einfach so im Stich lassen. Und das macht iMotion aus meiner Sicht konsequent Jahr für Jahr.
Ich glaube, ich bin tatsächlich zu alt für die …, … tatsächlich entwachsen.