Marek Hemmann "Infinity EP"

Track Rating
4.8 / 6
(4 Bewertungen)
  • N’Abend zusammen!


    Einer EP von Marek Hemmann im hiesigen Forum etwas mehr Aufmerksamkeit zu gönnen als einen klitzekleinen Beitrag im WHIG-Thread mag für dein oder anderen Genrepolizisten möglicherweise immer noch ein gewichtiger Grund für die sofortige Überführung in die Geschlossene darstellen, wenn ich mir die im letzten Monat veröffentlichte Infinity EP mit ihrer sorgfältigen Auswahl an sphärischen Elementen in Kombination mit einer zumeist angenehm druckvoll-technoiden Umgebung so begutachte, komme ich allerdings ehrlich gesagt um diesen Schritt bei bestem Willen nicht herum. Der aus dem thüringischen Städtchen Jena stammende Produzent (Clear_Blue könnte uns sicherlich einiges mehr über die dortige elektronische Musikszene erläutern) ist auf jeden Fall einer dieser Vertreter, die sich deutlich von dem bei einigen Kollegen vorherrschenden Drang, überspitzt gesagt jede Woche einen oder mehrere Tracks unters gemeine Volk zu werfen, distanziert und stattdessen indirekt die nie aus der Mode kommende „Qualität-statt-Quantität“-Schule zu propagieren versteht. Hemmanns Diskographie ist daher sicherlich nicht die längste auf dem hiesigen Planeten, doch wenn der Gute einmal mit einer frischen EP um die Ecke schaut, darf sich der Hörer uneingeschränkt auf melodiebewegte Techhouse-Spezialitäten freuen, welche sich nicht davor scheuen, progressive, trancige oder deephousige Zutaten oder organische Instrumente mit ins gemeinsame Boot zu nehmen. In Perfektion war dies bereits vor zwei Jahren auf seinem Debütalbum „In Between“ zu vernehmen und auch mit der ebenfalls auf Freude am Tanzen veröffentlichten, aktuellen EP sind erneut drei im Großen und Ganzen überzeugende Stücke zu verorten, die dem Labelnamen alle Ehre machen. :yes:


    Den stärksten Part übernimmt dabei sogleich Infinity als tonangebender Titeltrack, welcher von Beginn an alles andere als die berühmt-berüchtigte Eierschaukel im Visier hat, sondern mit einer wunderbar tiefergelegten Basslinewand munter drauf los wummert, während das Drumming sich einigen echolastigen Lockerungsübungen hingibt und die (noch) recht düster anmutende Trackwelt etwas entschärft. Die Schnelligkeit, mit der sich die kommenden Andeutungen einer Melodieebene mehren, wird vom Untergrund jedoch unterschätzt, sodass sich alsbald nicht nur entspannte Toneinlagen, welche sich auffallend gut mit der Bassline zu verstehen scheinen, sondern auch ein verspieltes Melodiefragment in den Vordergrund drängen dürfen, wobei insbesondere letzteres mit seinem unbekümmerten Auftritt einen interessanten Kontrastpunkt zur eher melancholisch getränkten Mehrheit der Melodieelemente setzt, ehe die sich anbahnende Streicheroffensive aufgrund ihrer leicht epischen Auswüchse die verspielte Tonfolge mehr und mehr zum Nebendarsteller degradiert und sich im anstehenden Kurzbreak in den höchsten sphärischen Tönen zu loben gedenkt. Der anschließende Umschwung des Tracks kommt dem geneigten Hörer da ganz Recht, steht doch im Anschluss eine wesentlich drummingorientierter angelegte Phase an, die mit ihrer Konzentration auf die Bassline sowie die mit ihr vermählten Tonanleihen wieder deutlich deepere Gefilde besegelt, ohne die nötige Portion Druck dabei aus dem Untergrund in die Schranken weisen zu wollen. Die nächste auftrumpfende Melodieeinspeisung kommt schließlich noch früh genug und lässt sich infolge der baldigen Rückmeldung des bekannten verspielten Tonfolgenfragments dann auch nicht mehr vom Vorwärtsdrang abhalten, sodass das Ganze sich mitsamt der herrlich schwebenden Streicher in sphärischer Hinsicht immer verdichteter in Richtung des nächsten Kurzbreaks bewegt. Im Gegensatz zum ersten seiner Gattung fällt der Kontrastpunkt zur vorherigen Melodieseligkeit hier allerdings noch etwas konsequenter aus, wenn während einer der charakteristischen Lockerungsübungen des Drummings die komplette Melodiekomponente flöten geht und die nächsten Augenblicke irgendwo zwischen Techhouse-Purismus und Minimalismus angegangen werden, bevor die Basslinewand sich galant wieder aus den Fängen des Untergrunds befreit und den letzten sphärischen Übergriff auf den hiesigen Track einleitet, der dann auch bis zu den schwelgerischen Streicherornamenten des Outros reichen soll. Für die Techhouse-Szene ist das Stück womöglich etwas zu dick aufgetragen, für die Trance-Liebhaber jedoch genau die richtige Dosierung, um Herz, Verstand und Tanzbein wohlverdiente 5,5/6 zu entlocken. :D


    Der drohenden Übermacht des Titelstücks setzt You Know dann ein deutlich organischeres Instrumentarium für sein Klangwelt-Kleinod entgegen und versucht in seiner sommerlich-beschwingten Art erst gar nicht, die Vorherrschaft der Unendlichkeit anzufechten. Stattdessen flechtet das Ganze viel lieber sanftmütige Gitarrenklänge, welche im Intro noch dezent durch den Flanger geführt werden, in sein geschickt groovendes Untergrundgerüst ein, bei welchem zunächst vor allen Dingen die herrlich stakkatierte Bassline für druckvolle Furore sorgt. Wenn in diesem leicht an Paul Kalkbrenner erinnernden Szenario mit seinen überaus repetitiv gestalteten Melodiestrukturen im weiteren Verlauf dann aber auch noch süßholzraspelnde Vocalsamples („Lalalalala“ und „Eh-Uh-Eh-Uh“ lassen den nicht vorhandenen Tiefgang schon erahnen) eindringen, ist es für meinen Geschmack leider nur noch einen Katzensprung hinüber ins Wunderland des Kitsches, vor dem auch das hervorragende Groovegewand des Drummings den Track nicht wirklich retten kann. Erst ein Kurzbreak ist in der Lage, den ausufernden Schönwetterelementen eine schon längst benötigte Grenzlinie zu ziehen und das hörenswerte Bassline-Stakkato auf einen charmanten Soloausflug zu schicken, der im Anschluss auch zusammen mit dem restlichen Drumming sowie den geloopten Gitarrenklängen vom Beginn zunächst einmal wieder gemäßigte Bahnen anpeilt, welche im weiteren Verlauf allerdings zwischendurch vermehrt von den unsäglichen Vocaleinspielern torpediert werden. In der Umgebung des zweiten Kurzbreaks, in welchem man im Vergleich mit seinem Vorgänger einen kaum veränderten Verlauf antrifft, wird den Vocalsamples zwar verdientermaßen das Maul gestopft, was sie jedoch nicht davon abhält, im letzten Drittel mit ihrer völlig überzuckerten Art und Weise die ansonsten ansprechend sommerliche Gefühlslage des Tracks zu konterkarieren. Das Outro als zurückgelehntes Zusammenspiel zwischen Basstönen und Gitarrenklängen versöhnt die Hörerschaft schlussendlich zwar wieder etwas, über nicht mehr als solide 4,25/6 darf sich das Ganze dennoch nicht beschweren. :hmm:


    Roundabout dagegen gesehen ist dann wieder ein ganz anderes Kaliber, weigert sich der Track doch schon einmal partout, sich dem üblichen „Four to the floor“ hinzugeben, um sich sogleich lustvoll an Drum & Bass-Anleihen als Drummingersatz zu vergreifen. Monoton hineingeschobene Basstoneinwürfe sowie einige verspielt und verschmitzt durch Zeit und Raum geisternde Melodietöne mit einer Vorliebe für die gewisse Portion Nachhall dürfen sich in diesem Zusammenhang als die ersten Weggefährten des interessanten Untergrunds geehrt fühlen, ehe sich aus der Dunkelheit des Hintergrunds eine herrlich dreckig wabernde Bassline anbahnt und mit ihrer leicht verruchten Art nicht nur die sphärische Leichtigkeit in den imaginären Schwitzkasten nimmt, sondern alsbald weitere alternative Tonfolgenentwicklungen auf den Plan zu rufen versteht. In einem Quasi-Break erstmals angedeutet erhält die sphärische Komponente des Tracks zudem noch Verstärkung durch immer mal wieder eingeworfene Flächenstücke überaus sonniger Couleur, welche sich in spannender Manier der schier übermächtig erscheinenden Präsenz der Basslineschaukel sowie ihrer Tongefolgschaft stellen und das Ganze mit ihren Zwischentönen zunehmend zur passenden Untermalung eines Roadmovies entwickeln lassen. Ein Break im letzten Drittel nimmt dieser Formation zwar kurzzeitig die Luft, um sich einer eingehenden Untersuchung des Drummings mit seinen D&B-Versatzstücken und der wabernden Bassline zu widmen, im Anschluss dürfen sich alle Melodieelemente im Sinne einer verdienten Ehrenrunde trotzdem noch einmal auf den Ausfransungen des Untergrunds einbringen und in genussvoller Ausdrucksweise überdurchschnittlich anzusiedelnde 5/6 unter Dach und Fach bringen. ;)



    Greetz,
    :: der hammer ::

  • Infinity braucht etwas Zeit, um sich in den Gehörgängen zu verschanzen. Ist dieser Zustand erst einmal erreicht, rockt die ummer einfach gewaltig. 5,25/6
    Das leicht sommerlich, fluffige You Know ist da schon leichter zugänglich und wird meiner Meinung nach zu Unrecht von unserem Reviewprosaiker nur mit einer durchschnittlichen Wertung bedacht. Der 5er Bereich ist auch hier locker drin. 5/6
    Mit hammer nicht d'accord bin ich auch im Fall von Roundabout. Der Track ist mir zu beliebig. Sicherlich eine tolle Nummer für zwischendrin, aber dafür dann wieder bescheiden zu mixen und auch sonst stört die Nummer eher im Gehörgang, als Wohlfühlatmosphäre herzustellen. 4,25/6