Oliver Lieb "Epsilon Eridani EP"

Track Rating
5.2 / 6
(6 Bewertungen)
  • N’Abend zusammen!

    Es ist sicherlich nicht allzu vermessen, den Frankfurter Ausnahmeproduzenten und -DJ Oliver Lieb als einen der Wegbereiter des Trance in deutschen Landen zu bezeichnen, hat sich der alte Haudegen doch mit seinen stets herausragenden Veröffentlichungen (auch unter seinen zahlreichen Pseudonymen wie beispielsweise LSG oder Paragliders) seit Anfang der 90er Jahre sicherlich in nicht wenige Köpfe der hiesigen TF-Gemeinde festgebrannt. Der gute Mann wusste und weiß einfach immer noch, wie er den gemeinen Hörer mit Hilfe seiner Tracks und DJ-Sets erfolgreich auf psychedelische Trips, atmosphärische Individualreisen oder in düstere Parallelwelten schickt, auch wenn sich sein Klangkosmos in den letzten Jahren peu à peu technoideren Gefilden angenähert hat. Da Oliver Lieb während dieser Entwicklung jedoch nichts – und da wiederhole ich mich gern: nichts – von seinem beschriebenen Gespür/Talent sowie seinen herausragenden Produktionsfähigkeiten eingebüßt hat und auch weiterhin unverdrossen sympathisch auf Qualität statt Quantität setzt, werden wir als Hörerschaft hoffentlich auch künftig in der Lage sein, solch hervorragende Trackzusammenstellungen wie die vor kurzem auf Digweeds Bedrock Records erschienene und nach einem sonnenähnlichen Stern benannte Epsilon Eridani EP in uns aufzusaugen. Nennt es Atmospheric Techno, nennt es Progressive Trance, ich nenne es eine Klasse für sich – frohes Wegdriften allerseits!

    Bereits Non Binary lässt jegliche Zweifel an einer gewissen Altersmilde Liebs im Nu im Jenseits verschwinden, präsentiert sich das Stück doch als herzhaft düsterer Abenteuerspielplatz, welcher schon zu Beginn mit seiner tiefschwarz nach vorn drückenden Basslinewand unmissverständlich klarstellt, dass harmoniebedürftige Seelen besser bald das Weite suchen sollten. Angereichert mit minimalistischen Drummingeffekten liegt das Hauptaugenmerk dabei zunächst auf der progressiven Entfaltung des Untergrunds, in welchem die Basslinewand sich zwar kurzzeitig beängstigend mächtig aufplustert, im Anschluss jedoch unerwartet ihr Groovepotenzial aufbessert, während das Ganze zunehmend deutlicher Bekanntschaft macht mit einem Klangeinwurf, der verdächtig nach dem Geräusch einer sich knarzend öffnenden Tür klingt. Dies mag auf den ersten Blick zwar verstörend wirken, entwickelt sich allerdings im weiteren Verlauf zu einem nicht mehr wegzudenkenden Element der allumfassenden Düsternis dieses Stücks. Die gewisse Portion melodischer Raffinesse kommt zudem alsbald ebenfalls nicht mehr zu kurz, wenn parallel zu der nun immer öfter bedrohlich anschwellenden Basslinewand erste zaghafte Tonfolgenfragmente auftauchen, welche in ihrer repetitiven Ader die atmosphärische Intensität weiter anfeuern und mitsamt einer stetig anwachsenden Effektdichte dafür sorgen, dass das Ganze sich zunehmend in einen wahren Rausch spielt. Ein immer wieder initiierter simpler, aber großartiger Akkordwechsel innerhalb der Melodieebene unterstreicht die Sogwirkung des Tracks, welche auch im anstehenden Break glücklicherweise kaum beruhigt werden kann, sondern vielmehr mitsamt einer aus der Basslinewand emporwachsenden Synthiemelodielinie noch einmal überzeugend verstärkt wird. Der Rest ist pure progressive Glückseligkeit für all diejenigen, die ein Faible für druckvoll-atmosphärischen Techno besitzen, der sich problemlos auch das Wörtchen Trance in seiner ursprünglichen Bedeutung auf die Fahnen schreiben dürfte. Alternative Melodieversatz- und flächenstücke, herrlich treibende Bassline-Attacken sowie ein nicht enden wollendes Auf und Ab der Spannungskurve bestimmen das intensitätsreiche letzte Drittel, welches sich schließlich ganz sachte auf seinen Rückbau vorbereitet. Türknarzen und zwielichtiges Tonschimmern begleiten den Hörer dennoch bis fast zum Schlusspunkt dieses erstklassigen Werks, welches meines Erachtens nichts weniger als die Höchstwertung von 6/6 verdient. :yes:

    Epsilon Eridani gibt sich als Titeltrack im Anschluss ebenfalls keine Blöße, indem bereits zu Beginn mit einer herrlich wabernd agierenden Bassline nicht minder düstere Ambitionen geweckt werden. Minimalistische Effekteinwürfe im Stile eines Max Cooper ergänzen die herrlich unterkühlte Stimmungslage des Stücks, ehe sich die überaus präsente Bassline auch schon die ersten nachhallverliebten sowie leicht elektroid liebäugelnden Ausbrüche gönnt und damit jeglicher vorsichtigen Melodieandeutung im Hintergrund schnell wieder zur Flucht verhilft. Aufgrund des Detailreichtums der verwendeten Klangelemente sowie dem stetigen Hang zu progressiven Wendungen macht sich trotz der überschaubaren Anzahl an Sounds zu keinem Zeitpunkt so etwas wie Langatmigkeit breit, vielmehr sorgt beispielsweise eine passend eingesetzte Alternativbassline in ihrer dreckigen Knarzigkeit dafür, dass sich die sphärische Komponente des Ganzen bereits vor der bald anstehenden ersten Flächenwelle immer dichter und dunkler anstreicht. Bis hierhin dauert es immerhin stolze vier Minuten, die herrlich trancige Ausstrahlung der im Break herannahenden Flächen hat es jedoch in sich, entpuppen sich selbige in Kombination mit subtilen Tonfragmenten doch als äußerst gelungener Kontrastpunkt zur kalten Maschinerie des Untergrunds. Allzu warm dürfte es dem geneigten Hörer dabei zwar nicht werden, die geheimnisvolle Ader der Melodieebene ist jedoch so eindringlich arrangiert, dass der Track schließlich beim Zusammenspiel aller Elemente in der Lage ist, eine dem Vorgänger ähnlich intensive Wirkung zu entfalten. Mit dem Beginn acid-lastiger Verzwickungen der Basstöne ist es dann zwar wieder vorbei mit dem sphärischen Rauschzustand, überzeugende 5,5/6 sind jedoch bereits während des Rückbaus deutlich am Firmament auszumachen. ;)

    Mit Extrasolar legt die EP dann zu guter Letzt einen mehr als würdigen Abgang hin, welcher in Sachen Druckentfaltung nicht vergleichbar ist mit seinen beiden Vorgängern, da das Hauptaugenmerk hierbei umso deutlicher auf einem möglichst subtil gehaltenen Melodieminimalismus-Orgasmus liegt, welcher sich schon nach wenigen Momenten in Form eines tröpfchenartigen Melodiefragments bemerkbar macht. Selbiges reitet dabei geradezu majestätisch auf einer saftigen Kickdrum, welche von einem neblig-sirrenden Tonrauschen begleitet wird und nach einem ersten Kurzbreak auch nicht vor einer wunderbar groovend geratenen Basslineverstärkung zurückschreckt. Messerscharfe HiHats, mystische Begleittöne- und effekte lassen das Ganze zwar recht deep wirken, die Einladung an eine ehemalige Melodiefläche, die sich nunmehr als stakkatiertes Allroundtalent ihren Weg durch das unwegsame Gelände des hiesigen Untergrunds sucht, lässt das Stück jedoch nicht allzu lang in seiner betuchten Haltung verweilen, sondern katapultiert die Melodieebene mit Unterstützung nun immer mal wieder eingesetzter, alternativ groovender Basstöne vermehrt in fast schon ekstatisch zu charakterisierende Gefilde. Besonders in und im Anschluss an das anstehende Break lässt sich die endgültige Dominanz der stakkatierten sowie progressiv an- und abschwellenden Melodiefolge nicht mehr leugnen, auch wenn die Tontröpfchen vom Beginn weiterhin kontrastreich und konsequent ihr Ding durchziehen. Angereichert mit flirrenden Klangwellen sowie dezenten Begleiteffekten arbeitet das Ganze hierbei an seiner ganz eigenen Interpretation unnahbar düsterer Atmosphärenschichten, welche mit Hilfe des groovenden Drummings jedoch zu keinem Zeitpunkt die Bodenhaftung verlieren. Alles in allem ein absolut gelungenes letztes Drittel dieser höchst abwechslungsreichen EP, welches nach seinem sirrenden Outro mit imho verdienten 5,5/6 den Heimweg antritt. :D


    Greetz,
    :: der hammer ::

  • Das Oliver Lieb nicht mehr den typischen Trancesound fährt, ist ja bekannt aber er fuhr ja schon immer eine sehr anspruchsvolle Schiene die nie auch nur in irgendeiner Form in Mainstream ausuferte. Die E.P. besitzt ein paar trancige Elemente, die man von Lieb kennt, macht dies aber noch weitaus minimalistischer als bei seinen Klassikern. Der Sound klingt etwas trockener, roher, düsterer und man muß auf diese Musik noch mehr eingehen als auf seinen damals schon anspruchsvollen Trance. Ich denke nach jedem Hören gefällt mir die EP besser, denn Zeit muß man sich nehmen damit solche Musik wirkt. Ich würde sie zwischen 4 und 5/6 einordnen. Nichts für Mainstream - Freunde aber für Alle die auch was mit hypnotischen Klängen anfangen können.