So, Urlaub vorbei. Viel Zeit gehabt, um mir einige Sachen durch den Kopf gehen zu lassen, auch ein paar Gedanken. Ich habe mich mit den Worten vom Forum verabschiedet, dass ich momentan einfach nicht hinter der Trance-Szene stehen könne. Was auch zum Teil weiterhin der Fall ist. Doch dazu später mehr.
Meine "Flucht" war einfach kindisch und hohl, denn sie ändert nichts an meiner Sichtweise und wird sie in absehbarer Zukunft auch nicht. So gesehen hat tobaddiction gar nicht mal so unrecht bzgl. der politischen Aussage. Unsere Volksvertreter flüchten schon zu Genüge, da muss ich dem schlechten Beispiel nicht auch noch folgen. Hinzu kam die Tatsache, dass ich vielleicht etwas dünnhäutig auf manche, vermeintlich inhaltslosen, Argumente reagiert habe. Da muss ich einfach gelassener und professioneller reagieren. Es gibt halt Leute, die sind einfacher zufrieden zu stellen und es gibt welche, die sind es nicht. Genauso gibt es Leute, die setzen sich gerne mit elektronischer Musik auseinander und wollen einfach mal ein bisschen über elektronische Musik schreiben und quatschen, ihre Gedanken bzw. ihre Sichtweise mitteilen und sich dadurch mit anderen auseinandersetzen. Denn dazu ist das Forum eigentlich da, denke ich zumindest. Wobei mir auch klar ist, dass man heute kaum noch Zeit hat und man lieber einen kessen Spruch auf ein Argument folgen lässt, oder man einfach barsch abgestempelt wird, anstatt einfach mal nachzufragen und sich die Mühe zu machen, was meinte "der" denn jetzt, oder Bescheid zu stoßen, dass man entweder falsch oder richtig liegt. Es ist aber wie geschrieben ein alltägliches Problem. Woher soll es denn auch kommen, wenn selbst unsere Volksvertreter keine vernünftige Streitkultur mehr pflegen. Doch ich schweife wieder einmal ab. Es soll hier schließlich um die Zukunft gehen.
Was war auf der Nature One passiert? Am Freitag habe ich mich gegen Carl Cox und für, als Fanboy logisch, Paul van Dyk entschieden. Ich wurde enttäuscht, da ich dachte, er hätte sich mal etwas Neues ausgedacht. Für Ausflüge in die House- und Techno-Sparte hatte er keine Zeit. Es gibt so viele Tracks bzw. Samples, die man "spielerisch" verwenden könnte. Ich habe es in meinem Review bereits erwähnt, Standard. Am Samstag habe ich mich bewusst gegen Markus Schulz und Armin van Buuren entschieden, um dem Popstargehabe zu entgehen, liefen vor meinem geistigen Auge noch die Bilder der letzten Nature One an mir vorbei. Schließlich bin ich "Open minded", was iMotion jedoch nicht so sieht bzw. sehen will, und habe mir meine "alten" Techno-Heroes angehört, wobei hier die Betonung auf "angehört" liegt. Während des Floorhoppings bekam ich beim Ausruhen auf einem Hügel das Set von ATB mit. Es tut mir ehrlich gesagt mal ganz gut, die Sets nicht immer nur von der DJ-Bunker Absperrung aus anzusehen und anzuhören, sondern die Situation auch mal mit mehr Weitblick, Entschuldigung, aus weiterer Entfernung zu erfassen. Er spielte eigentlich solide und es gefiel mir auch relativ gut. Jedoch gab es "Aussetzer" in Form von Reglerrunterreißen, komische Trackreihenfolge, "Prodigy" und sich Feiernlassen. Also das typische Popstargehabe. Wie Skuz schon mal erwähnte, konnte man von Glück reden, dass er nicht auch noch das Mikrofon bemühte. Anscheinend hatte man zu guten alten Plattenauflegerzeiten keine Zeit für solche Sperenzien, so dass man letztendlich gar keine andere Wahl hatte, als sich auf die Musik zu konzentrieren. Da machte es dann einfach bei mir "Klick". Es wirkte alles etwas surreal und lächerlich. Ganz ehrlich, wenn ich Popstars haben möchte, schaue ich mir die selbige Show im Fernseh an oder gehe zu The Dome. Es ist einfach nicht mehr meins und ich habe da auch einfach keinen Spaß mehr dran. Am Tanzen zum gutgekleideten und voll ausgeleuchteten DJ hin, Grölen während des Reglerruntereißens und sich Feiern lassen und dem Zuhören vom Abfackeln von Hits. Dann auch dieses ewige Herzchenzuschicken. Da sammelt sich in meiner Mundhöhle das Wasser und das nicht aus Hunger. Da frage ich mich jedes Mal, wie alt ich eigentlich bin. Wäre ich nicht doch besser bei einem Take That, "NKotB" oder Backstreet Boys Konzert aufgehoben? Warum werden keine Teddys, Schlüpfer, usw. auf die Stage geworfen? Es erinnert mich irgendwie immer an die Grundschule, erste Liebe, etc. . Da hatten unsere Mädels z.B. ihre eigene Geheimsprache:"Hufflupuff de Hefflepeff…!" Was auch immer das heißen mochte. Es hat alles natürlich auch etwas Niedliches an sich. Auf jeden Fall wurde mir da zum ersten Mal richtig bewusst, dass Trance eigentlich die kommerziellste Art der elektronischen Musik ist und Trance sich in einer Endlosschleife befindet.
Wie komme ich darauf? Mir wurden die Unterschiede zwischen Trance und elektronischer Musik bei der Nature One mal wieder richtig bewusst. Und dies meine ich nicht nur musikalisch. Wir haben den Open Air Floor (OAF) auf der einen Seite und den Century Circus (CC) auf der anderen. Der OAF super ausgeleuchtet, inklusive der Stage, der CC relativ dunkel gehalten und die DJs kaum zu erkennen. Die DJs auf dem OAF pauschal mit Hemd, im CC mit T-Shirt, ausladende Gesten auf dem OAF, angenehme Zurückhaltung im CC. Carl Cox mal außen vor, wobei er die Leute auch nur begrüßt. Hits auf dem OAF, Trackauswahl, Spannungsbogen, etc. im CC. Deutlich mehr Kameras auf dem OAF, größere Fixierung auf den spielenden DJ als seine Musik, quasi geschätzte 10000 Decksharks. Sing-Sang und Pathos auf dem OAF, pure elektronische Musik im CC. Ich könnte fast sagen, die Trance-Szene hat irgendwie etwas Pubertäres, wurde doch größtenteils Trance auf dem OAF gespielt. Sei es vom "Dabeisein" her, "Star-DJ-Kult", Selbstinszenierung durch die ständigen Fotos und Videos und dem fehlenden Mangel an Selbstreflektion bzgl. der Szene, ich wiederhole, der Szene und nicht des Partygängers. Anders kann ich mir z.B. das ständige Spielen von der "Trance-Hymne", Len Faki’s Remix, nicht erklären. Ich habe mich mehr als sattgehört. Davon mal abgesehen, dass der Len bzw. die Berghain-Crew sich wohl auch nicht hätten vorstellen können, dass sein Remix von der Trance-Elite gecaptured werden würde. Nebenbei mal eine Frage, welche Tracks könnten eigentlich die Techno-DJ’s von uns verwenden? Musikalisch liegen die Unterschiede auf der Hand.
Wo geht die Reise nun hin. Das Ende der Fahnenstange im Trance-Bereich wurde für mich erreicht, sei es musikalisch und persönlich. Dies wurde mir z.B. klar, als whale in einem anderen Thread erklärte, was Trance für sie ausmache. Denn derselben Meinung bin ich auch, "Flächen". Nur, wer spielt denn noch bzw. mal wieder 10min Tracks bzw. wer produziert noch welche? Wer lässt sich denn noch Zeit? Wer ist denn noch leicht "Rock n’ Roll" -mäßig am Start? Den Unterschied zwischen Club und Event mal außer Acht gelassen. Wer vereint denn wirklich alle Stile, wer bietet mir denn mehr als nur Standard-Ware? Und mit Stile meine ich Techno, Trance und House. Daran erkennt man z.B. auch die absurde Diskussion, wer wie was ist? Es ist nicht Techno, nein, es ist Tech-Trance, Trance-Pop, Epic-Trance, Deep-Trance, Progressive-Trance, letztendlich alles Rechtfertigungen, damit man den Künstler nicht verprellt und die Trance-Szene sich erst im zweiten Blick offenbart. Ich werde zugespamt mit den Standard 6-7min Tracks, bei denen ich lediglich nur die Wahl zwischen Non-Vocal- oder Vocal-Tracks habe. Es gibt zu viel, halcyonzocalo wird sich freuen, Standard-Ware. Wer spielt denn wirklich alle Stile elektronischer Musik? Wieder einmal mehr kommt meine Signatur zum Tragen. Traurig, aber wahr. Ich habe versucht, so viel wie möglich an der Trance-Szene teilzunehmen. Leider mit einem ernüchternden Ergebnis, dass es einfach nicht mehr meins ist und ich die elektronische Musik in ihrer Gesamtheit mag und liebe. Nichtsdestotrotz steht es momentan ganz gut um Trance in Deutschland. Aus Gründen, die ich in anderen Threads bereits erwähnt habe. Jedoch wiederholt sich einfach alles immer wieder. Sei es "A State of Trance 2017", "Anjunabeats Vol. 22", "Timbuktu 2013",…, den zugehörigen Radioshow's, irgendwie doppelt gemoppelt, dies alles mit einer ausgeklügelten Marketingstrategie, bei der sogar manche Majors vor Neid erblassen können. Was jedoch völlig legitim ist, nur, wenn es ausufert und man nicht genug bekommt, angemerkt sei hier, dass es nie genug ist, hat es mit der eigentlichen Szene der elektronischen Musik aber mal so gar nichts mehr mit am Hut, eher mit dem Popbiz. Das war und ist für mich eigentlich das Hauptmerkmal der elektronischen Musik, dass sie sich nie großartig irgendwelchen kommerziellen Zwängen unterwarf und unterwirft. Was merkwürdigerweise im Techno-Bereich auch nicht so massiv der Fall ist. Erstaunlich finde ich immer die Diskussion, was Armada angeblich alles für die Trance-Szene tue. Ehrlich gesagt, was macht Armada denn für seine absatzstärksten Märkte bzw. was machen sie denn großartig anders, als alle Anderen? Man kann von Glück reden, dass der Trancer aus Deutschland anscheinend relativ gut betucht ist und ihm es langt, wenn er durch Beatport die x-te Classic-/Mini-/Ibiza-/whatever-Compilation lädt, anstatt mal in Deutschland eine "Armada-Night" bzw. "ASoT-Night" steigen zu lassen bzw. zu bekommen. Wobei es dem gemeinen Trancer anscheinend langt, wenn einfach alle zwei Jahre der Geburtstag gefeiert wird. Da muss ich nebenbei schmunzeln, wenn ich daran denke, wie lange Paul schon seine Sendung „Soundgarden“ und „Vonyc“ betreibt, dazu auch noch „1Live Rocker“. Es wäre mal eine Anerkennung und Wertschätzung der Szene durch Armada und ein wesentlich größerer Beitrag, als Beatport mit seinen VÖ’s zu drangsalieren. Da sehe ich ganz andere an vorderster Front, die zum Erfolg von Trance in Deutschland beitragen, sei es Euphonic, die für mich absolut unterbewertet sind, Heavensgate, Club Kiste Leute, Hühnerposten/Edelfettwerk, Talla und Vandit. Es ist mir ein Rätsel, warum sich alles um Armada bzw. Armin van Buuren dreht und man ständig in die Niederlande rüberschielt? Dabei sind es die angesprochenen Labels, Clubs und Co., die dafür gesorgt haben, dass Trance in Deutschland die letzten zwei Jahre aufgewertet wurde und immer mehr Beachtung gefunden hat. Ich ärgere mich immer noch, dass ich nicht zu Ferry nach Hamburg gefahren bin. Und dass man mich bitte nicht falsch versteht, ich habe absolut nichts gegen Armin. Ich begleite ihn seit 2002 und habe absoluten Respekt vor ihm, auch wenn mir sein "Sing-Sang" und "Pathos" auf den Geist geht. Letztendlich wird es immer so weitergehen, eine Vermarktung bis zur Schmerzgrenze. Was danach passiert, weiß ein jeder Kaufmann. Großartig neue Sounds wird es nicht mehr geben, wie schon mal erwähnt, in der Darbietungsform geht noch etwas. Da erhoffe und erwarte ich nach ca. fast 2 Jahren Stagnation von Paule mehr. Wobei er für mich nach wie vor kein wirklicher Trance-DJ ist, was man auf den Vandit-Nights, die es leider auch nicht mehr jeden zweiten bzw. dritten Monat gibt, hören kann.
Ich sehe also eher nüchtern in die Zukunft des Trance. Hier spielen natürlich viele subjektive Eindrücke eine große Rolle. Für mich ist es einfach zu viel. Zu viel Musik, zu viele DJ’s, Produzenten, die aufgrund der Technik nun auch zum DJ werden, kaum Veränderungen in der Art und Weise des Auflegens, trotz ungeahnter Möglichkeiten durch die Technik, dann die unmöglichen Mashups, die ohne Sinn und Verstand gebastelt werden, ganz schlimm momentan D-Mad’s "She gave happiness" im Arty Remix mit BT feat. Jes "Every other way", usw., usw. und dem ständigen Versuch, beachtet und respektiert zu werden, was mir jedoch aus besagten Gründen immer schwerer fällt.
Ein Lösungsansatz meines Erachtens wäre relativ einfach. Ein Schritt zurück, sich auf die eigenen Stärken besinnen, eher zurück in den Club. Es müssen die kleinen Party's zum Erfolg geführt werden. Für "Stadion-Trance" ist die deutsche Szene dafür einfach zu klein, was die letzte Soundtropolis bewies. Davon mal abgesehen, dass es hier leider nur einen gibt, der so etwas stemmen kann. Es liegt so gesehen viel Arbeit vor der Trance-Szene in Deutschland. Man sollte von klein auf wieder anfangen, um sich quasi selber zu erneuern.
Tja, das bewegt mich momentan und spiegelt meine Sichtweise wieder. Ich wiederhole, "meine" Sichtweise, welche ich niemandem aufzwinge und mit der ich auch niemandem zu nahe treten möchte. Es ist für mich einfach alles zu viel geworden. Ich bewege mich sehr gerne hier im Forum, da ich die unterschiedlichen Charaktere und die dahinter verborgenen Menschen und ihre Sichtweisen mag. Ich fühle mich hier wohl und irgendwie trotz alledem richtig. Hier brauche ich mich für Trance nicht zu rechtfertigen und schon gar nicht für elektronische Musik in seiner Gesamtheit. Das rechne ich dem Forum hoch an.
Abschließend möchte ich noch mal an oben anknüpfen. Es nimmt jeder im Leben irgendwann einmal eine gewisse Rolle ein, ob man sie nun mag oder nicht. Jedoch gehört es zu einem gewissen Reifeprozess und einer Charakterbildung dazu, sie und andere auch zu tolerieren und zu akzeptieren, ob es nun einem gefällt oder nicht. Auch wenn man z.B. seine Überzeugungen manchmal gebetsmühlenartig immer und immer wieder runterrattern muss.
Alles vielleicht etwas durcheinander und auch mal wieder viel Laberei, wahrscheinlich auch nichts neues und auch etwas zu leidenschaftlich, jedoch geht es mit jetzt gut, sorry for that ;).
In diesem Sinne "Rave on".