Max Cooper "Miocene EP"

Track Rating
5.0 / 6
(2 Bewertungen)
  • Nacht zusammen!


    Was sind das nur für Moralvorstellungen: Kaum wittert Ausnahmeproduzent Max Cooper aufgrund des imho berechtigten Erfolgs mit seinen zahlreichen famosen EPs bei „Traum Schallplatten“ sowie seiner mitreißenden Livesets mal etwas Morgenluft, geht er dem großartigen Qualitätslabel, dem er so viel zu verdanken hat, auch schon fremd. Jüngst angelockt durch Konkubine Stephan Bodzin und sein nicht minder empfehlenswertes Label Herzblut Recordings darf sich die gemeine Hörerschaft daher ausnahmsweise einmal auf Cooper’sche Klangküste freuen, die nicht den Umweg von London über Köln, sondern über Bremen hinein in unsere Gehörgänge nehmen. Auch wenn das den Titel Miocene EP tragende Gesamtpaket aus drei neuen Stücken sich im Gegensatz zu den vielen Traum-Veröffentlichungen etwas technoider arrangiert zeigt, gibt es für meinen Geschmack immer noch genug sphärische Feinheiten zu entdecken, die dem geneigten Cooper-Sympathisanten zusagen, dem Neueinsteiger vermutlich dann aber doch etwas zu vertrackt erscheinen dürften. Nichtsdestotrotz in Gänze gesehen wieder einmal eine überzeugende Trackzusammenstellung, ausgestattet mit der bekannten Liebe fürs Detail und der perfekten Verbindung von Wohnzimmer und Tanzfläche!


    Und Titeltrack Miocene legt dann sogleich auch schon einmal gut vor, wenn hier ein spannendes Konglomerat aus unterkühlt-verspielten Tonfolgenfragmenten und düster bretternden Basslineattacken aufgefahren wird. Anfangs liegt die Konzentration zwar noch auf der Einführung eines herrlich klickernd angerichteten Drummings, in dessen Schatten sich alsbald die ersten vagen Flächenstücke bemerkbar machen, doch schon mit dem langsam aber sicher herausgeforderten Anschwellen dieser ersten Melodieandeutungen in Richtung wabernder Gefilde beginnt das Ganze, sich in Kombination mit der zunehmenden Klickerdichte aufzuplustern und schlussendlich zu einem interessanten Schmelztiegel anzuwachsen. Auf dem Höhepunkt angekommen nimmt ein erstes Kurzbreak dieser Entwicklung jedoch jäh den Wind aus den Segeln und serviert dem nichtsahnenden Hörer stattdessen eine saftig gebratene Portion knarzender Bassspezialitäten, die im Folgenden mit dem vielseitig effektierten Untergrund schnell gemeinsame Sache macht, ehe einige tiefergelegte Melodietöne wiederum dem Bass-Intermezzo den Garaus machen. Zudem können im Zuge einer subtilen Melodieoffensive zunächst zaghaft, jedoch peu à peu bestimmter die Flächenstücke vom Beginn erneut gelungen integriert und die sphärische Komponente des Tracks dadurch mit wunderbar zwielichtig anmutenden Klangfarben angestrichen werden, während das Klickern vermehrt in Richtung Bachrauschen tendiert und mithilft, einen weitere gelungene Anschwellaktion vom Stapel zu lassen. Die nächste Basssequenzattacke kommt schließlich noch früh genug; im konkreten Fall langt dafür das zweite Kurzbreak im Mittelteil, in dessen Gefolgschaft das Bassknarzen nun allerdings auch in Kooperation mit den tiefergelegten Melodietönen für Furore sorgt. Unterstützt von einer Heerschar von zappelnden, fragmentierten und klickernden Effekten folgt im Anschluss zwar bereits der Einlauf in die Zielgerade, auf dieser macht das Ganze aufgrund seiner minimalistisch-unterkühlten Sichtweise aufs Weltgeschehen jedoch noch einmal eine überaus gute Figur fürs Finalfoto, sodass auf dem Treppchen schon barbusig umzingelte 5,25/6 auf ihren Empfänger warten. ;)

    Noch mehr Erdzeitalter bringt im direkten Anschluss Super Flu’s Devon Silur Remix von „Miocene“ ins Gespräch. Dieser geht das Originalthema zwar eine gute Prise entspannter an, lässt sich mit seiner techhousig orientierten Ausrichtung jedoch keinesfalls in Richtung belangloser Gefilde entführen, sondern lädt die prägenden Elemente des Originals - Melodieandeutungen und Bassknarzen - vielmehr zu einem unruhig groovenden Schauspiel ein, welches von kontrastreich zurückhaltenden Subbässen durchdrungen ist und neben deutlich abgespeckter Effektdichte ein alternativ angerichtetes, fragiles Tontänzeln auf den Plan ruft. Letzteres wirkt zwar auf den ersten Blick leicht tollpatschig, entwickelt sich im weiteren Verlauf, vor allen Dingen in Zusammenarbeiten mit den ersten undurchsichtigen Flächenfragmenten, zu einem tragenden Element der Überarbeitung. Zwischendurch schauen dabei sogar einige Basssequenzen aus dem Original zur Tür herein, lassen sich von den sporadisch eingeworfenen Melodieandeutungen jedoch überraschenderweise zumeist ohne rechte Gegenwehr des imaginären Raums verweisen, sodass der Weiterführung des geheimnisvollen Stolpergrooves keine Knüppel unter die Haxen geworfen werden. Im Mittelteil wird dann zur Abwechslung eine kurzzeitige Reduktion auf das Grundgerüst des Stücks heraufbeschworen, in deren Gefolge Melodiedichte und Intensität einige Stufen zulegen können, die Weiterführung des Ganzen im letzten Drittel sieht der zuvor ausführlich zur Kenntnis genommenen allerdings zum Verwechseln ähnlich. Diesem öffentlich zur Schau getragenen Verzicht auf weiteren Spannungsausbau zum Trotz besitzt der Remix aber irgendein undefinierbares Talent, mit dem er mich bei der Stange zu halten weiß. Ob es die organische Instrumentierung ist, ob es die interessante Mischung aus einem liebenswürdig stolpernden Groovebett und zwielichtigen Tonpartien ist, ich kann es nicht genau beziffern – ganz im Gegensatz zu den Bewertungspunkten, die sich hier bei mehr als soliden 4,5/6 eintrudeln. :yes:

    Den in meinen Ohren überzeugendsten Part der EP nimmt dann Epoch ein, mit dem sich Max Cooper am dichtesten am Randbereich seiner Traum-Platten bewegt und somit die Atmospheric-Techno-Jünger sicherlich hier besonders zufrieden mit der Zunge schnalzen lässt. Dafür stehen vielfältig ausrückende Melodiestrukturen sowie ein düster grummelnder Untergrund bereits mit ihrem Namen, müssen sich im Intro jedoch zunächst hintenanstellen und einem detailverliebt aufspielenden Effektszenario den Vortritt gewähren, aus dem sich im weiteren Verlauf in Zusammenarbeit mit einem recht minimalistisch-straff organisierten Drumming besonders ein stakkatoartig nach vorn preschendes Element zu behaupten weiß und alsbald als druckvoller Taktgeber des Ganzen nicht mehr wegzudenken ist. Parallel dazu schiebt sich eine in herrlich dunklen Klangfarben angestrichene Basslinewand in den Untergrund und sorgt fortan für eine noch gezielter nach vorn ausgerichtete Fortbewegung, welche im weiteren Verlauf mit den ersten tropfenartig auftrumpfenden Fragmenten der Melodieebene in Zusammenarbeit mit den allmählich durchdrehenden Effektstakkati langsam aber sicher immer unheimlicher vonstatten geht. Zwischendurch versuchen letztere zwar immer wieder, sich am Riemen zu reißen, dies gelingt ihnen im Umfeld einer alsbald initiierten, weiteren Tonebene, welche kaum minder aufgewühlt daherkommt, aber glücklicherweise immer weniger erfolgreich, nimmt diese Entwicklung das Intensitätsbarometer doch im Sturm. Auch ein mittig angesetztes Break zur Beschwichtigung verfehlt seine Wirkung und legt dem hektischen Melodietreiben vielmehr den roten Teppich für eine gelungene Anschwellaktion aus, ehe das Ganze sich im Anschluss zusammen mit dem düster treibenden Untergrund sowie scharfkantigen Alternativflächen sogar noch ein weiteres Mal verdichten kann und den gemeinen Hörer gleichzeitig in eine surreal schöne Klangwelt entschweben sowie vollendet in Trance tanzen lässt. Abgerundet durch ein sanftes Ausrollen der markant futuristischen Melodieelemente im Hinblick auf den unausweichlich herannahenden Schlusspunkt sind dem Track überaus verdiente 5,75/6 somit nicht mehr zu nehmen. :)


    Industrialiser als Letzter in der Runde möchte abschließend auf gar keinen Fall im Gefolge seiner Vorgänger untergehen und mit aller Macht Aufmerksamkeit auf sich lenken, sodass meines Erachtens der Bogen leicht überspannt wird. Überaus perkussiv gehalten poltern hier daher verschiedenste Drumminganleihen über den Beat, erleiden dabei von Zeit zu Zeit Schiffbruch und/oder fahren wiedergenesen absichtlich mit Vollgas in den Gegenverkehr. Vertrackt, leicht chaotisch, durchdrogt und doch auf eine gewisse Art und Weise fesselnd präsentiert sich das Ganze, sonst hätte meine Wenigkeit sicherlich nicht die komplette Spieldauer, in der allerdings auch immer wieder ein einsamer Melodieton als letzter Mohikaner eingeworfen wird, durchgehalten. Elektronische Musik mit dem Charme einer heruntergekommenen ehemaligen Industrieanlage: Verfallen, abgeranzt und düster, aber doch charaktervoll, von alten Geistern durchzogen und Anziehungspunkt für einen gepflegten Rave…



    Greetz,
    :: der hammer ::