Hier ein Kommentar des Kölner-Stadt-Anzeiger:
Love Parade
"The day the music died"
„Friede, Freude, Eierkuchen“? Das war einmal. Mit der Massenpanik und 19 Toten ist Duisburg von nun an die Stadt, in der die Love Parade eines unnatürlichen Todes gestorben ist.
Wie konnte man die Sicherheitsbedenken missachten?
Tödliche Massenpanik auf der Loveparade.
Erst klappten Menschen im Partyvolk zusammen, bekamen keine Luft mehr. Dann eskalierte die Situation.
Es begann mit 150 Feierwütigen, die am 1. Juli 1989 über den Berliner Kurfürstendamm zogen, ein Soundsystem auf das Dach eines alten VW-Busses geschnallt hatten und „Friede, Freude, Eierkuchen“ proklamierten. Der Gründervater der „Love Parade“, der DJ Dr. Motte, hatte die Sause als politische Kundgebung angemeldet. Elf Jahre später war die „Love Parade“ im gesellschaftlichen Mainstream angekommen. Geschätzte 1,5 Millionen Raver feierten auf der Straße des 17. Juni, an der Siegessäule und im angrenenden Tiergarten, und dass man dabei dem greisen Chorleiter Gotthilf Fischer eine Ecstasy-Tablette untergeschoben hatte, bewies nur den generationenübergreifenden Charme des hauptstädtischen Techno-Umzugs.
21 Jahre und 24 Tage später ist in Duisburg nun Dr. Mottes Traum von der „Love Parade“, wie wir sie kannten, in einem Staßentunnel zu Tode getreten worden. Während die Politiker in ihren ersten Statements die nach so einer Katastrophe übliche Melange aus Beileid, Entsetzen und „rückhaltloser Aufklärung“ äußerten, ging Dr. Motte am Samstagabend einen Schritt weiter: Er warf den Veranstaltern vor, die Katastrophe durch inkompetente Planung verschuldet zu haben. Auch wenn Motte damit der Polizei und der Staatsanwaltschaft vorgreift: Um zu diesem Ergebnis zu kommen, muss man weder Jura noch Logistik studiert haben.
Dr. Motte stellt zu Recht die Frage, ob ein Gelände, das beinahe komplett von Bahngleisen und einer Autobahn umschlossen wird, geeignet ist, um dort mehr als eine Million Partygänger zu kasernieren. Dass es nur einen Zugang gab, und dieser auch noch durch einen Tunnel führte, macht das Unglück von Duisburg zu einer Katastrophe mit Ansage. Man stelle sich - vergleichsweise überschaubare - Großveranstaltungen in der Lanxess Arena (15.000 Besucher) oder im Rhein-Energie-Stadion (50.000) mit nur einer Einlass-Schleuse vor. Kein seriöser Konzertveranstalter würde so ein Risiko eingehen. Bei der Love Parade (Gratis-Veranstaltung, keine Tickets) kommt hinzu, dass die Veranstalter im Vorfeld nur schätzen können, wieviele Besucher kommen und wieviel Platz diese benötigen. Die Erfahrung des Live-8-Konzerts im Londoner Hyde Park zeigt einen möglichen Weg aus diesem Dilemma: Karten wurden vorab – gratis oder zu einem symbolischen Preis – ausgebeben. Wer kein Ticket hatte, kam gar nicht erst in die Nähe des Festivalgeländes und wurde an einem vorgelagerten Kontrollposten wieder nach Hause geschickt.
Zur Erinnerung: Die Stadt Bochum hatte bei der geplanten Love Parade 2009 den Stecker gezogen, weil die Polizei schwere Sicherheitsbedenken geltend machte. Es sei einfach zu wenig Platz für die zu erwartenden Besuchermassen. Im Kulturhauptstadt-Jubeljahr 2010 wurden diese Bedenken nun offenbar weniger ernst genommen, Duisburg und das Ruhrgebiet wollten das Jugendkultur-Großerereignis unbedingt durchziehen. Doch anstelle des erhofften Imagegewinns steht die Schimanski-Stadt nun vor einem Scherbenhaufen:
Duisburg ist von nun an die Stadt, in der die Love Parade eines unnatürlichen Todes gestorben ist.