Hier eine Sichtweise die es nicht besser beschreibt:
„Im Netz hat Musik keinen Wert“
Von Jennifer Jakab
Wie stehen eigentlich die Künstler zum Digitalen Rechtemanagement? Der erfolgreiche Frankfurter DJ Chris Liebing gilt in der Techno-Szene als Vorreiter. Er macht sich Gedanken, wie DRM die Nutzer beeinflusst und wie die Zukunft der digitalen Musik aussehen könnte.
Chris Liebing ist seit 1990 als DJ aktiv.
Jennifer Jakab: Beeinträchtigt die Möglichkeit Musik aus dem Internet herunterzuladen den Verdienst von Musikern?
Chris Liebing: Wenn ich jetzt einmal auf die letzten zehn Jahre zurückblicke, dann habe ich eigentlich das meiste Geld mit meinen Auftritten verdient.
Man hat noch nie wirklich überleben können, wenn man ausschließlich produziert hat. Vor allem im Bereich der elektronischen Musik ist es schon immer so gewesen, dass Produktionen die Karriere als Live-Artist nur begleitet haben. Etwas anderes ist es, wenn jemand einen Hit produziert hat, der in den Charts bekannt geworden ist. Ein gutes Beispiel ist da Eric Prydz (2004 mit „Call On Me“ Nr.1 der deutschen Charts, Anm. der Redaktion). Er hatte eine bekannte Nummer und hat damit extrem viel Geld verdient. Soviel könnte er mit Auftritten nie verdienen.
Jakab: Welche Rolle spielt der Download von Musik aus dem Internet?
Liebing: Als wir angefangen haben, schnelle Computer zu benutzen und unsere Musik digital zu produzieren, haben wir unsere Produktionen selbst online verfügbar gemacht. Aber das ging schon früher los: Sobald man etwas veröffentlicht hat, egal ob auf Schallplatte, CD oder Live, hat das schon jemand aufgenommen und auf eine illegale Downloadseite gesetzt. Schon konnten alle deine Titel umsonst heruntergeladen werden.
Und wie es so oft ist, waren die illegalen Downloadseiten einfach wesentlich schneller. Da saßen ganz einfach junge Leute dahinter, die sich Gedanken gemacht haben, wie man das Internet richtig nutzen kann.
Jakab: Was für Konsequenzen hat das für die Künstler?
Liebing: Im Business herrscht die Meinung, dass Produzenten aufhören zu produzieren, wenn sie kein Geld mehr an ihren Produktionen verdienen. Daran glaube ich nicht. Der Grund Musik zu produzieren sollte idealerweise der künstlerische Ausdruck sein.
Vielleicht werden jetzt Leute, die nur wegen des Geldes produzieren, endlich aufhören, den Markt zu belagern. Dann haben wir irgendwann keine schlechte Musik mehr
Ich denke immer: Leute, ladet doch meine Sachen umsonst herunter, dann hört ihr es euch wenigstens an. Das ist meine Herangehensweise. Musik ist zum Hören da und muss auch verbreitet werden. Durch meinen Bekanntheitsgrad werde ich dann auch gebucht. Dadurch kann ich wiederum meine Gage erhöhen. Im Endeffekt kommt das Geld dann dadurch rein.
In einem Frankfurter Studio produziert Chris Liebing seine Musik.
Jakab: Gilt das auch für den populären Musikbereich?
Liebing: Ich denke schon. Auch Madonna hat mittlerweile kein Label mehr, sondern ist bei einem Veranstalter unter Vertrag. Eine weitere mögliche Einnahmequelle sind Merchandising-Artikel. Wenn man keine Schallplatte oder CD mehr hat, die man sich in den Schrank stellen kann, braucht man eben etwas anderes.
Jakab: Wieso haben die Musikvertriebe so lange gebraucht, um auf die illegalen Downloadseiten zu reagieren?
Liebing: Im Gegensatz zu den jungen Leuten, waren die großen Plattenfirmen total schwerfällig. Es hat lange gedauert, bis sie sich überlegt haben, wie sie ihre Sachen im Internet verkaufen können. Die Vertriebe haben sich anfänglich dagegen gewehrt und wollten keine Veränderung.
Es ist ein menschliches Urbedürfnis, etwas bewahren zu wollen, an das man sich gewöhnt hat. Als die ersten Autos gebaut wurden, gab es bestimmt auch die „Allianz der Kutschenliebhaber“ die das nicht zulassen wollte.
Bei den großen Labels wollen viele nicht wahrhaben, dass es ein Netz gibt, über das Menschen Daten austauschen. Und wenn doch ansatzweise ein Umdenken beginnt, wird erst einmal ein 10-Jahres-Plan für die Einführung eines Angebots gemacht.
Jakab: Werden die User auf diese kostenpflichtigen Angebote umsteigen?
Liebing: Die Leute haben sich inzwischen daran gewöhnt, Geld für digitale Songs auszugeben. Kostenpflichtige Portale wie “Beatport” haben sich etabliert. Der Vorteil von so einem Angebot ist, dass man wirklich die originalen Tracks in guter Qualität bekommt. Außerdem bietet ein legaler Anbieter den ganzen Katalog des Künstlers an.
Doch die Zahlungsbereitschaft wird bald wegfallen. In Zukunft müssen sich Künstler daran gewöhnen dass sie ihr Geld nicht mehr direkt mit den Plattenverkäufen verdienen, sondern über Umwege. So wie Madonna es ja schon macht.
Jakab: Ist DRM eine effektive Methode um die Musik zu schützen?
Liebing: Man kann natürlich mit Schutzmechanismen arbeiten, aber die werden immer wieder umgangen. Da muss vieles verbessert werden. Die Beschränkung, dass die Dateien nach fünf Mal brennen nicht mehr funktionieren oder Songs nur auf einzelnen Playern abspielbar sind - das ärgert die Nutzer. DRM ist zwar noch gängige Praxis, aber auch das wird sich bald ändern. Die Leute haben einfach keine Lust mehr darauf. Es gibt nun schon einige Anbieter, die diese Hürde weglassen und dann werden die Leute zu diesen Anbietern gehen.
Jakab: Wie sieht die Zukunft der Musikindustrie aus?
Liebing: Man kann die Evolution nicht aufhalten. Wenn ich meine Musik ins Internet stelle, muss ich mir dessen bewusst sein, dass sie dort nichts wert ist: Es sind nur Daten, nichts Physisches wie bei einer CD – die Leute haben nichts mehr in der Hand.
Die Musik wird irgendwann, wenn auch erst in 20 Jahren, kostenlos sein. Die Künstler bekommen trotzdem ihr Geld - dann allerdings nicht mehr vom Hörer, sondern vom Werbepartner. Für die Konsumenten hat das nur Vorteile. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Communities zur Orientierung immer wichtiger werden. Irgendwann sogar maßgeblich. Die Charts, wie wir sie kennen, werden dadurch ersetzt. Die sind sowieso nicht repräsentativ. Was wirklich gehört wird, ist heutzutage schon gar nicht mehr nachvollziehbar.
Für die Künstler wird es weder schwerer noch leichter. Qualität verbreitet sich schnell global. Das wird sich wahrscheinlich nicht ändern. Natürlich gibt es auch immer Verlierer. Für einige Produzenten wird es hart, vielleicht sterben Vertriebe aus. Was wirklich gut ist, wird sich aber halten. In Wien gibt es ja auch heute noch Kutschen.
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