Microtrauma "Colorblind EP"

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  • N’Abend zusammen!

    Nachdem mir das deutsche Produzentenduo Microtrauma, bestehend aus Ricardo Linke und Daniel Päßler, bisher nur als anständige Remixer diverser Veröffentlichungen des nimmermüden Kölner Labels Traum Schallplatten ein vager Begriff war, schicken sich beiden nun an, mit ihrer dortigen ersten eigenen EP für Furore im Kreise aller Atmospheric-Techno-Sympathisanten zu sorgen. Schuld daran sind eindeutig drei frisch aus der heimischen Klangschmiede entlassene Tracks, welche alle irgendwo im illustren Grenzbereich zwischen progressiven, technoiden und trancigen Territorien mäandern und dabei meines Erachtens nur die besten Zutaten für ihre sphärisch äußerst beeindruckenden Klangbilder zusammengesucht haben. Zudem war man sich beim Label nicht zu schade, der Colorblind EP betitelten Trackzusammenstellung eine nicht minder überzeugende Überarbeitungsfraktion zu spendieren, in welcher sich mit Max Cooper, Ryan Davis und Richie G sicherlich einige der derzeit umtriebigsten Pferde des labeleigenen Stalls befinden. Während die Remixe letzterer ausschließlich digital erhältlich sind, gibt es die drei Originalversionen natürlich auch wieder für alle Freunde des schwarzen Golds auf Vinyl zu ergattern. Vorhang auf!

    Saturation auf der A-Seite legt die Maßstäbe für seine Vorgänger auf jeden schon einmal recht hoch an, wenn sich aus einem zaghaften Stakkatoton/Klickerdrumming-Gemisch in gelungen progressiver Manier ein überaus atmosphärisch veranlagter Track entfalten kann, welcher nicht nur aufgrund der Vielseitigkeit seiner Melodieelemente, sondern auch durch das fiebrige Zusammenspiel jener mit dem düster effektierten Untergrund bei mir punkten kann. Langsam, aber stetig weiß sich die sphärische Komponente dabei aus ihrer Mauerblümchen-Situation herauszubewegen, um schließlich auf der grummelnden Basslinewand mit mystischen Flächenstücken, nach vorn stakkatierenden Melodiefragmenten sowie allerhand Effektzugaben zum entscheidenden Motor des Stücks avancieren, der im Mittelteil sogar einigermaßen deutlich mit trancigen Melodiestrukturen kokettiert. Durch ihre spannende Fragmentierungen besitzen letztere jedoch genug Understatement, um sich nicht allzu euphorisch vom Rest des Tracks abzuheben, sondern mit diesem eine äußerst abwechslungsreiche Melange einzugehen, welche in den Breaks ihre geheimnisvoll wabernden Flächenstücke einzusetzen weiß, während in Kooperation mit dem Untergrund die stakkatierten Melodiebögen deutlicher im Vordergrund ihre entrückt-düsteren Kreise ziehen dürfen. Gepaart mit einem herrlich progressiven Trackaufbau, welcher hinter jeder Ecke neue Zusammensetzungen der Melodieelemente parat hält, führt summa summarum für meinen Geschmack somit kein Weg an mehr als verdienten 5,5/6 vorbei. ;)

    Dekoriert mit zwei Überarbeitungen darf sich Saturation trotz seines bescheidenen Charakters dennoch insgeheim als König dieser EP fühlen, setzt sich doch auch im Ryan Davis Remix die wunderbar neblige Stimmung des Originals fort. Im Gegenzug präsentieren sich die Kontraste hier noch etwas schärfer ausgearbeitet, was sich besonders niederschlägt in der Aufeinanderfolge recht minimalistisch inspirierter Phasen, in denen sich das interessant monoton nach vorn stolpernde Drumming sowie einige bekannte Flächenstücke in dezenter Zurückhaltung üben und alternativ tröpfelnden Toneinwürfen die Hand geben, und leicht episch anwachsender Melodie-Intermezzi, die die wabernden Flächenanleihen in ungekannt verdichtender Manier anwachsen sehen. In den Kurzbreaks erreicht letztere Entwicklung dann stets ihren atmosphärischen Höhepunkt, wenn es die Melodieebene – subtil unterstützt vom monotonen Basslinerotieren – in herrlich entrückter Manier in fast schon extraterrestrisch anmutende Gefilde verschlägt. Im Laufe der Zeit gesellen sich zudem immer wieder neue Toneinwürfe sowie eine mystische Alternativmelodielinie hinzu, sodass im letzten Drittel auch zusammen mit dem Drumming die im Vergleich mit dem Original noch etwas intensiver gestaltete Atmosphäre zelebriert wird, ehe das Ganze nach einem wunderbar subtilen Rückbau nicht minder gut gebaute 5,5/6 in Empfang nehmen darf. Sich gegen solch übermächtige Vorgänger durchzusetzen ist dem Richie G Remix im Anschluss dann zwar nicht gegönnt, jedoch zeigt sich auch dieser gewandt im Umgang mit alternativen Melodieanleihen, welche sich an die bekannten Flächenstücke in galanter Manier anzuschmiegen und mehr und mehr zusätzlich tröpfelnden Klickereien heraufzubeschwören wissen. In und nach einem kurzen Break gesellen sich dann auch die Stakkatotöne aus dem Original immer mal wieder hinzu, um sich nun - mal mehr, mal weniger intensiv – unter das hiesige Melodievolk zu mischen, welches meines Erachtens allerdings mehr als nur einen simpel daherschreitenden Offbeat-Untergrund verdient gehabt hätte. Dafür zeigt sich die Melodieebene durchweg in sphärisch wertvoller Erregung (inklusive Outro), wenn auch in dieser deutlicher in Richtung Progressive House tendierenden Überarbeitung insgesamt gesehen nicht die Intensität von Microtrauma und Ryan Davis erreicht werden kann, sodass ich wohl nicht mehr als 4,75/6 zu vergeben in der Lage bin. :)

    Diffusion als einzig remixloses Stück der EP entpuppt sich dann zwar als etatmäßiger Herausforderer der A-Seite, hat sich anders als diese jedoch eine etwas verstörendere Schale zugelegt, welche bereits nach wenigen Momenten in Form von scharfen Effektstrahlen und einem monoton um sich selbst kreisenden Tonfolgenfragment mit der geneigten Hörerschaft Bekanntschaft macht. Seltsam zerhackstückelte Vocaleinspieler, welche einem Max Cooper nicht besser aus dem Studio hätten rutschen können, verstärken die äußerst diffus wirkende Atmosphäre, welche im weiteren Verlauf zwar mit mystisch agierenden Tonflächenstücken etwas mehr Zielgerichtetheit erhaschen kann, in Kooperation mit aggressiv fragmentierten Stakkatotönen sowie einer repetitiv wabernden Basslinewand jedoch stets ein Pulverfass im Untergrund bereithält, um bei allzu harmonischer Entwicklung entscheidend einwirken zu können. Ab einem weiteren Kurzbreak, welches erneut die verwirrenden Vocalfragmentierungen aus seiner Schublade holt, gehört die Hauptbühne dann schließlich zunehmend den Flächenornamenten, welche sich erstaunlich intensiv verdichten können und die folgenden Kurzbreaks hindurch in erhabener Art und Weise eine außergewöhnliche Klangreise unternehmen. Wunderbar kontrastreich abgeschmeckt durch Stakkatotöne, Basslinegrummeln, Effektfetzen und Vocaleinspieler entsteht dabei etwas ganz Eigenes, das sich schwer beschreiben lässt und schlussendlich von meiner Seite mit nicht weniger als überdurchschnittlichen 5,5/6 bekrönt wird. :D

    Contrast als Letzter im Bunde zeigt sich dann nicht ganz so zwingend und düster wie seine beiden Vorgänger, ist allerdings in der Lage, auch mit seinen melancholisch anmutenden Melodieanleihen ein sphärisch nachwirkendes Stück zu erschaffen, welches zudem durch seine immer mal wieder eingestreuten, interessanten Breakbeat-Ausflüge von sich reden macht. Klickernde Effekteinsätze, acidlastige Basstöne sowie einige geheimnisvoll hereinwehende Flächenwinde bilden dabei den Rohbau für die alsbald von statten gehende Verdichtung, welche sich nicht nur durch eine herrlich brodelnd inszenierte Basslinewand, sondern auch durch den zunehmenden Einsatz hoffnungsvoll atmender Melodielinien speist. Lassen sich selbige im Mittelteil auch von einem dunkelheitsaffinerem Pendant unterkriegen, so erwachsen sie spätestens im anstehenden Kurzbreak erneut zu bekannter Ausdrucksstärke und erfüllen den hiesigen Track als Gegenpol des stetig grummelnden Untergrunds mit einer gut portionierten Dosis Wärme. Durch den Raum geisternde Zeitlupen-Vocalflächen und feinsinnig austarierte Effekthappen unterstützen diesen Kurs in wunderbar subtiler Manier und lassen im Endeffekt nicht weniger als verdiente 5/6 aus meinem Bewertungskeller in die Tracktaschen wandern. Wie kaum anders zu erwarten setzt der Max Cooper Remix dem Ganzen dann aber die Krone auf. Allein dieser bis ins feinste Detail ausgearbeitete Untergrund mit dem nun omnipräsenten Effektraspeln aus dem Original, einiger alternativer Tontropfen sowie einer jeglichen Begleitumständen berechnend monoton entgegenschaukelnden Bassline reicht schon, um den gemeinen Hörer in gewohnt charmanter Manier um den Finger zu wickeln. Dabei ist bis zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Wort über die nahtlose Einbeziehung der Vocalflächenstücke aus dem Original, welche dort nur eine Nebenrolle auszuüben pflegten, oder die Verstärkung der von selbigen angeführten, sphärischen Komponente durch eine zurückhaltend surrende Tonfläche verloren worden. Mit zunehmender Dauer erobern die Vocalschwaden schließlich solch lustvoll düstere Gefilde, dass auch die in selbigen immer wieder gezeigte Tendenz zur typisch Cooper’schen Flächenverzerrung beinah untergeht. Durch die zunehmende Überlagerung von Vocalflächen und alternativ verzerrten Tonstücken profitiert dann im weiteren Verlauf nicht nur immer deutlicher die sphärische Intensität, auch das kontrastreiche Zusammenspiel mit dem hypnotisch groovenden Untergrund weiß sich in dieser Entwicklung hervorzuheben. Alles in allem eine herrlich minimalistisch-epische Erkenntnisfahrt durch die abgründige Welt entrückter elektronischer Musik, welche mit ihren 5,75/6 für meinen Geschmack nur denkbar knapp an der Höchstnote vorbeischrammt. :yes:


    Greetz,
    :: der hammer ::