Guy Gerber pres. Various Artists "Time for a change EP"

Track Rating
3.0 / 6
(1 Bewertungen)
  • N’Abend zusammen!

    Nach knapp 5 Wochen Winterwetter par excellence inklusive fast durchgängig geschlossener Schneedecke, weißer Weihnacht, inflationärem Gebrauch des Wortes „Chaos“ im Zusammenhang mit dem Wetter in den Medien sowie Reaktivierung des Kältewellen-Thread in der hiesigen Palaverecke steht ab morgen nun (imho leider) durchgreifendes Tauwetter auf der Tagesordnung. Ich wäre jedoch nicht der ausschweifendste Rezensent dieses Forums, wenn ich nicht auch zu diesem Anlass eine passende Platte parat hätte, zu der ich im Folgenden einige mehr oder minder weise Worte verlieren möchte. Schließlich ist mir erst kürzlich die hervorragende Time For A Change EP in die Gehörgänge geraten, mit welcher der von mir sehr geschätzte israelische Produzent Guy Gerber Ende Dezember standesgemäß die mittlerweile 25. (in Worten: fünfundzwanzigste) Veröffentlichung auf seinem Label Supplement Facts gefeiert hat. Frei nach der Devise „Klotzen, nicht kleckern!“ hat sich der Mittelmeeranrainer jedoch keineswegs in Solomanier an die Produktion dieses 3-Trackers gewagt, sondern in großzügiger Manier gleich eine ganze Armada guter Labelfreunde (Guti, Ryan Crosson, dOP, Greg Paulus und Varoslav), welche sich hinter den unscheinbaren „Various Artists“ verstecken, ebenfalls daran mitarbeiten lassen. Herausgekommen ist dabei ein vielseitiger Genre-Zwitter im Dreiländereck zwischen progressiven, techhousigen und trancigen Territorien, welcher sicherlich nicht nur der forumsbekannten Tellerrandmafia gefallen dürfte… ;)

    Aber beginnen wir doch lieber mit einer detaillierten Einschätzung des titelgebenden Stücks Time For A Change, an welchem sowohl Guy Gerber selbst als auch Guti, Ryan Crosson und Greg Paulus Hand anlegen durften. Ob die epische Länge von etwas mehr als 12 Minuten dabei der Anzahl der Produzenten geschuldet ist, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben, wesentlich greifbarer ist da schon die wunderbar entspannte Ader, mit welcher der Track von Beginn an das Nervenkostüm seines Hörers auf eine Schwebefahrt durch arpeggiert wabernde Tonkaskaden, zurückgelehnt aushallende Klavierfetzen und echoverliebte Effekteinwürfe schickt. Im Untergrund gewohnt techhousig-trocken arrangiert dürfen nach kurzer Einwirkzeit der beschriebenen Elemente auch einige betont sphärisch fragmentierte Vocalstücke mehr und mehr aus dem Hintergrund heraustreten und alsbald in Kooperation mit einer wunderbar lässig-groovend gestalteten Bassline die alles andere als verkrampfte Ausstrahlung des Ganzen verdichten. Weitere minimalistische Effekte unterstützen die eingeschlagene Richtung dabei in subtiler Manier zusehends, ehe im weiteren Verlauf die Elementdichte langsam aber stetig wieder reduziert wird und den fahrigen Vocalschwaden einige Solomomente auf dem trockenen Drumming gönnt. Überraschenderweise treten in dieser Phase nun zunehmend loungige Tompetenversatzstücke in das Geschehen ein und verleihen dem Track dabei nicht nur eine angenehm jazzige Komponente, sondern versetzen mit einer immer wieder an- und abschwellenden Tonfläche aus ihrem Handgepäck auch der sphärischen Dichte einen weiteren Schub nach vorn. Dass die Trompeten ebenso variationsreiche Fragmente ins Rennen schicken wie die Vocalsamples, kann dann im Folgenden bestens beobachtet werden, wenn sich daraus ein interessantes Privatduell entwickelt, welches auch in einem kurzen Break zunächst nicht entschärft werden kann; nimmt im Anschluss allerdings die nun wesentlich druckvoller nach vorn schauende Bassline das Zepter wieder in die Hand, bleiben nur noch äußerst zusammengeschrumpfte Andeutungen von dieser Entwicklung zurück. Davon profitiert wiederum kurzzeitig die sirrende Tonfläche, welche sich zwischen die nunmehr sporadischen Vocal- und Trompetenfragmente wirft und schlussendlich die finalen Meter des Stücks einläutet. Diese hätte man für meinen Geschmack zwar etwas straffen oder alternativ mit den Melodieelementen vom Beginn ausschmücken können, verdiente 5/6 sind zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits in Stein gemeißelt. :p

    The Fire Within aus der Feder von Guy Geber, dOP und Varoslav versucht sich dann zwar ebenso an der magischen 10-Minuten-Grenze, überschreitet diese jedoch nur marginal - genug Zeit also zur Entfaltung einer herrlich einlullenden, repetitiven Struktur inklusive der gewissen progressiven Ader, dürretrockenen Beats und dezentem Melodietreiben. Wähnte sich der Vorgänger in einer recht positiv gestimmten Atmosphäre, überwiegt hier dagegen eine undurchschaubar neblige Charakterstärke, welche zu Beginn allerdings noch vom techhousig trabenden Drumming mit seinem leicht hektisch schlitternden Basslinefragment dominant zurückgehalten wird. Nichtsdestotrotz tauchen im Hintergrund alsbald die ersten Anzeichen einer gefangen gehaltenen Tonfolge auf, welche mit immer mal wieder eingeworfenen Vocal- und Effektspielereien einhergehen und mehr und mehr den Eindruck vermitteln, dass sich die Melodietöne langsam aber sicher aus ihrer Umklammerung befreien können. Das Drumming zeigt sich dabei stets ungerührt und rührt lieber weiter die Werbetrommel für eine knochentrockene Wüstensafari, während das mystisch angehauchte Melodieversatzstück in dezenter Art und Weise den hiesigen Track unterwandert und mit seiner irgendwo zwischen düsteren Kapitulationsgedanken und leichten Hoffnungsschimmern angelegte Atmosphäre den Hörer auf seine Seite zu locken weiß. Die Verdichtung des Stücks setzt sich auch im anstehenden Break fort, in dem sich zunächst einige fein austarierte Tonstücke (am ehesten noch mit Hundebellen bzw. Türquietschen zu assoziieren) an das depressive Melodiefragment heranpirschen, ehe die bekannten Vocalspielereien diesen Part kurzzeitig übernehmen und im Folgenden zudem das Drumming wieder heraufbeschwören. Die Nebenschauplätze im hiesigen Track präsentieren sich ab nun zwar verstärkt effektiert, der beruhigenden Wirkung des Melodiefragments tun dies jedoch keinen Abbruch, zumal sich im weiteren Verlauf auch die Tonstücke aus dem Break sowie weitere alternative Melodieandeutungen immer mal wieder in die Umgebung verirren und die leicht hypnotisch agierende Atmosphäre des Ganzen nicht unerheblich unterstützen. Kurz vorm letzten Drittel gönnt sich das Stück dann mittels einer Reduzierung auf sein Drumming noch eine kleine Verschnaufpause, welche besonders die Melodieelemente bald dazu nutzen, einmal ganz intim mit dem geneigten Hörer zu schwelgen, ehe die anschließende Verdichtung zu einer überzeugend geratenen Schlussoffensive inklusive interessantem Outro fortgesetzt wird. Insgesamt gesehen ein starkes Stück, welches mir hier nicht unter ansprechenden 5,5/6 wegkommt… :yes:

    Bei der digitalen Beigabe namens The Man From Atlantis hält sich die Produzentendichte dann ausnahmsweise einmal in Grenzen, da hier nur Guy Gerber und Guti als Verantwortliche ihren Mann stehen wollen. Herausgekommen ist ausgerechnet dabei der sphärischste Track der gesamten EP, welcher vor allen Dingen durch eine wunderbar verträumt geratene Melodielinie, welche entfernt an Akustikgitarrenklänge erinnert, Herz und Seele der gemeinen Hörerschaft zu erweichen weiß. Zunächst gehört die Aufmerksamkeit jedoch einigen plätschernden Melodiefetzen, welche sich zusammen mit nachhallenden Effekteinwürfen sowie einer alsbald initiierten Stakkatobassline mit dem gewissen subtilen Druck nach vorn einen Raum teilen, während im Hintergrund nun mehr und mehr die ersten Andeutungen der bereits hoch gelobten Hauptmelodie auszumachen sind. Ehe sich letztere dann endgültig durchsetzt, vergehen jedoch noch zahlreiche Momente des schleichenden Herannahens, bei denen zunehmend auch verspielte Alternativtöne in unterschiedlicher Intensität auf die Melodielinie einwirken. Nur unterbrochen von einigen Kurzbreaks darf sich die sphärische Hängematte dabei - mal mehr, mal weniger intensiv - an vorderster Front etablieren, wobei sich das dominierende Melodiefragment stets eine gewisse Portion seines zurückhaltenden Charmes behält, auch wenn - wie im mittigen Break zu genießen - sie sich mit charakteristisch gestreichelten Gitarrensaiten leicht aufreizend zu intensivieren mag. Kontrastreich überirdisch inszenierte Tonsprengsel sorgen im Anschluss in Kooperation mit dem mittlerweile noch etwas basslinegrooviger gestalteten Drumming allerdings sogleich wieder für eine außerordentlich traumhafte Sinnesentspannung, welche aufgrund ihrer Vielseitigkeit (erhaben klimpernd, loopartig verzerrt oder zart verwischt) zudem die sich bis zum Schlusspunkt nur noch im Hintergrund tummelnde Hauptmelodie fast vergessen macht. Alles in allem ein Track wie eine glitzernde Schneelandschaft im Licht der Abendsonne, ergo mit nicht weniger als überzeugenden 5,75/6 zu entlohnen. ;)


    Greetz,
    :: der hammer ::